Die Liebe atmen lassen
wird, wollen viele nicht glauben.
Veränderungen geschehen ebenso seelisch , mit eineminnerlichen Bewegtsein, das in der Mimik , in der Bewegung des Gesichts, und der Pantomimik , der Bewegung der gesamten Gestalt, nach außen hin sichtbar wird. Menschen versichern sich wechselseitig, »sehr bewegt zu sein«, sprechen es sich auch ab oder steigern sich erst recht in die Bewegung hinein. In ihrem Inneren werden sie von gegensätzlichen Gefühlen bewegt, von Zuneigung und Abneigung, Zärtlichkeit und Zorn, Mut und Angst, bewegt auch von der Unbewegtheit des Anderen oder, aufgrund einer sturen Beharrung, unbewegt von seiner Bewegtheit. Die Sehnsucht, die ihre Seelen bewegt, setzt auch ihre Körper in Bewegung, bis ein Moment der Erfüllung Ruhe gewährt und ein neues Sehnen Seelen und Körper erfasst. Immer schwächt die Äußerung von Gefühlen die Energie ihrer Bewegung ab und stellt die Gefühle ruhig, bevor sie von Neuem aufwallen können; fällt die Gefühlsregung zu schwach aus, lässt sie sich auch vorsätzlich in Wallung bringen: Dabei helfen »bewegende Momente«, daher das Bedürfnis nach »großen Gefühlen«, deren Intensität sich von der wenig bewegten Oberfläche des Alltags abhebt. Der Überschwang der Gefühle fordert jedoch, ihre übergroße Bewegtheit zu dämpfen, um nicht zu sehr von ihnen mitgerissen, ja, sogar zerrissen zu werden. Aufwallung und Abschwächung sind die beiden Seiten einer Bewegung der Gefühle, um deren Gestaltung es in der Beziehung zu sich und Anderen wie auch allgemein in einer Kultur geht.
Veränderungen geschehen erst recht geistig mit einem Bewegtsein im Denken. Gedanken sind ständig in Bewegung, ändern sich selbst und damit auch den Menschen, der sie denkt. Jedes Lernen, jedes Gespräch, jede Lektüre, jede Deutung und Interpretation ist eine gedankliche Bewegung, die Möglichkeiten erschließt und Veränderungen anstößt. Unddas, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, kann auch ihre Körper rhythmisch zucken lassen: Kunstvolle Stile körperlicher Bewegung wie Rock ’n’ Roll , Beat , Rock , Rap , Techno werden zu Recht als Ausdruck eines seelisch-geistigen Bewegtseins verstanden. Wie sehr Gruppen von Menschen von gemeinsamen Gefühlen und Gedanken bewegt sein können, führte schon die Bewegung der Romantik vor, und wie sehr die gemeinsame Bewegung Wirklichkeit verändern kann, zeigt die Geschichte revolutionärer Bewegungen. Ganze Epochen werden bewegt und verändert von Ideen, etwa die Moderne von der Idee der Freiheit. In Gefühlen und Gedanken können Menschen zudem von der Annahme einer Transzendenz bewegt sein, sofern sie sich eine metaphysische Möglichkeit hinter aller physischen Wirklichkeit vorstellen können. Ein transzendentes Bewusstsein, das sich zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit, Wirklichkeit und Möglichkeit bewegt, kann Menschen sogar in so heftige Bewegung versetzen, dass ihr Ungestüm sowohl ihr eigenes Leben als auch die gesellschaftliche Geschichte umstürzt, konstruktiv oder destruktiv, wie religiöse Bewegungen unter Beweis stellen.
Letztlich aber kann kein Selbst, keine Beziehung zu Anderen, keine Gesellschaft immer nur bewegt und in Veränderung begriffen sein. Bereits körperlich braucht ein Mensch eine Art Basislager , einen Ort der Beharrung, von dem ausgehend und auf den zurückbezogen er sein Unterwegssein im Raum definieren kann. Auch alle seelische Bewegtheit von Gefühlen bedarf der gelegentlichen Unbewegtheit , um sich nicht der Erschöpfung preiszugeben. Und geistig hilft die gelegentliche Beharrung auf Überzeugungen , möglichst gut begründet, um nicht im Fluss beliebiger Meinungen unterzugehen. In der Transzendenz stellt Gott als unbewegter Beweger die absoluteBeharrung und Unveränderlichkeit dar, auf die Menschen sich im Fühlen und Denken beziehen können, wenn sie ihr Leben durchirren. Die Veränderungen, die der Weg durchs Leben ihnen abverlangt, hätten ohne körperliche, seelische, geistige und womöglich transzendente Beharrung keinen Bezugspunkt mehr; das Ich würde sich verheddern in der komplizierten Dynamik seiner selbst. Mir selbst kommt die Aufgabe zu, mich um das nötige Maß an Beharrung in der Beziehung zu mir und Anderen zu sorgen, um mich nicht nur von momentanen Impulsen hin- und herwerfen zu lassen. Auch bei der so nachhaltigen Suche junger Menschen nach dem »eigenen Stil« geht es primär nicht darum, stylish zu sein, sondern in veränderlicher Zeit eine Beharrung zu schaffen, der das Leben
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