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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Männer lassen sich auf ein trügerisches Glück ein, wenn sie sich der Erwerbsarbeit allein widmen, bis sie im Burnout des Workaholic erleben, dass sich alle ihre Ressourcen erschöpfen. Nicht wenige sehen in ihrer Arbeit die ideale Geliebte, immer und überall verfügbar, nicht einfach nur gefügig, sondern eine immer neue Herausforderung, deren Bewältigung die eigene Macht und somit Potenz, das Verfügen über Möglichkeiten, erfahrbar macht. Aber die genannten anderen Arbeiten ermöglichen erst die Einbettung der Erwerbsarbeit in ein Umfeld, in dem sie gut geleistet werden kann, und sie bleiben auch dann noch erhalten, wenn die Erwerbsarbeit verlorengehen sollte. Nur bei dem, der mit sich selbst zurechtkommt, Freunde hat und seiner Familie nicht fremd geworden ist, droht kein »Mann-Zuhause-Stress-Syndrom«, von dem in Japan die Rede ist, wenn Männer, die ihr Leben der Erwerbsarbeit widmeten, plötzlich zu Hause sitzen. Statt Erwerbsarbeit und Leben getrennt zu sehen und nach einer Work-Life-Balance zu suchen, ist der Begriff der Arbeit besser zur Lebensarbeit zu erweitern, die die verschiedensten Aspekte der Arbeit in sich integriert.
    Ist das schwierig? Ist das komplex? Aber wozu leben als Mann, wenn nicht, um veritable Aufgaben zu meistern? Eines wird gleichwohl nie zu überwinden sein: Die Spannung zwischen den Geschlechtern. Wie auch immer Männer und Frauen ihre Rollen definieren, austauschen und auflösen: Polarität wird sich dennoch wieder zwischen ihnen einstellen. Weiterhin werden Gegensätze sich anziehen, und in einer spannungsreichen Beziehung können die Beteiligten lernen, die Spannung als Reichtum des Lebens zu verstehen. Sollten aber lieber gleich und gleich sich gesellen, könnten sie sich genötigtsehen, der Spannung hier und da etwas aufzuhelfen. Seinen besonderen Reiz bezieht das Verhältnis der Geschlechter nun mal aus den anders gearteten Welten auf ein und demselben Planeten, auch wenn daraus zuweilen Verzweiflung resultiert: »Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen« (Loriot, Szenen einer Ehe , 1986). Das ist gut möglich, aber gerade dann, wenn Unterschiede und Gegensätze vorausgesetzt werden, wächst die Neugierde auf die jeweils andere Art und Weise des Lebens und die Bereitschaft zu ihrer Anerkennung von Grund auf, statt sie als sinnlos und deplatziert abzutun. Es wird möglich, ein Glück darin zu sehen, dass es den Anderen gibt, der so anders ist, so anders fühlt und denkt, so anders lebt, mit dem zu leben und Gefühle und Gedanken auszutauschen aber gerade aus diesem Grund so spannend ist.
    Polarität ist nicht zwingend Polemos , wie Krieg und Auseinandersetzung im Griechischen genannt werden; Liebe muss nicht der »Todhass der Geschlechter« sein, den Nietzsche in ihr sah ( Ecce Homo , »Warum ich so gute Bücher schreibe«, 5). Die gegensätzlichen Pole können sich ergänzen, statt sich zu bekämpfen: Fühlsamkeit und Nüchternheit, vernetztes und fokussiertes Denken, der Sinn fürs Pragmatische und fürs Prinzipielle, der Blick für die größeren Zusammenhänge und die Details, die Fähigkeit, Grenzen zu ziehen, und die andere, sie wieder zu verwischen, die unbeirrbare Zielgerichtetheit und das meisterhafte Gespür auf dem Weg zum Ziel – und in keinem Fall steht von vornherein fest, wer welche Seite vertritt. Die ineinandergefügten Strategien des Mann- und Frauseins ermöglichen, dass der Eine sieht, was der Andere übersieht, sodass beide gemeinsam ein vollständigeres Wesen bilden. Mag der natürliche und evolutionäre Grund für die Paarbildung die optimale Mischung der Gene für den Nachwuchsgewesen sein: Der kulturelle und individuelle Grund besteht darin, sich mit unterschiedlichen Stärken wechselseitig beschützen zu können und gemeinsam stärker zu sein als ein Einzelner für sich allein. Die Schwierigkeit besteht freilich darin zu entscheiden, in welcher Situation welche Stärke den Vorrang haben soll. Zwistigkeiten zwischen zweien in Fragen wie dieser sind in moderner Zeit nicht mehr anhand von Vorgaben der Religion, Tradition und Konvention zu befrieden. Sie sind vielmehr in der Lage, sich dermaßen in die Beteiligten einzugraben, dass sich die grundsätzliche Frage stellt: Allein oder zu zweit?

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