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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Beteiligten sich in häufigem Streit aneinander abarbeiten. Alle Freiheiten, aber keinerlei Bindung gewährt dementgegen die ausschließende Beziehung , mit der hier der Ausschluss der Liebe aus dem eigenen Leben gemeint ist, das Alleinsein, der ausdrückliche Verzicht auf eine Beziehung von irgendwelcher Intimität. Größtmögliche Freiheit mit geringer Bindung ermöglicht darüber hinaus die virtuelle Liebe , bei der die Beteiligten sich bemühen, im Reich der Möglichkeiten zu bleiben und jede Realisierung der Beziehung im wirklichen Leben zu vermeiden.
    Alle Zwischenformen der Zweisamkeit zeichnen sich dadurch aus, auch dem Alleinsein Raum und Zeit zu geben. Dadas Zusammensein nie nur anregend und erregend, immer auch anstrengend und erschöpfend sein kann, liegt nichts näher, als von vornherein das Alleinsein zur Erholung voneinander in die Vorstellung von Beziehung einzubeziehen. Vorstellbar ist die Verbindung beider Seinsweisen in einem räumlich getrennten Leben zu zweit ( living apart together ), wie es für den Anfang der Beziehung ohnehin typisch ist und länger ausgedehnt, beibehalten oder wiederhergestellt werden kann, sofern die materiellen Ressourcen dafür ausreichen. Es kann sich um separate Räume in einer Wohnung handeln, oder auch um getrennte Wohnungen, wie bei den Dichter- und Denkerpaaren Hermann und Ninon Hesse, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, Friederike Mayröcker und Ernst Jandl. Ist das räumliche Zusammensein eine unveränderliche Größe, lässt es sich durch ein zeitweiliges Getrenntsein entspannen, bei dem jeder auch mal allein oder mit Freunden etwas unternimmt, ein »Urlaub voneinander« als Ergänzung zum Urlaub miteinander, für Stunden, Tage oder Wochen, mit all den Gefahren, die das für die Beziehung mit sich bringen kann. Manche wagen sogar ein Getrenntsein nach Art der Wanderalbatrosse, die bis zu zwei Jahre lang einsam ihre Kreise ziehen und zuverlässig zueinander zurückkehren. Eine Nähe, die zur Distanz in der Lage ist, ermöglicht ein erfülltes Leben in Bindung und Freiheit zugleich, da sie zwischen Gemeinsamkeit und Einsamkeit atmen kann und den Liebenden erlaubt, im temporären Alleinsein die Weite der Seele wieder zu gewinnen, die in der Nähe allzu leicht verloren geht. Das Zusammensein, das zur Selbstverständlichkeit zu werden droht, wird mit einem gelegentlichen Getrenntsein wieder zur schönen, bejahenswerten Erfahrung.
    Der Erfahrung der Einsamkeit entkommen die Liebendenohnehin nicht. Zwar wollen sie immer füreinander da sein und versprechen einander die Abwehr der bösen Geister der Einsamkeit für alle Zeiten, aber Liebe schützt vor Einsamkeit nicht , macht sie ganz im Gegenteil erst recht fühlbar. Inmitten der Zweisamkeit wird klar, dass das Leben im Grunde eine Sache des Einzelnen bleibt, dass schwere Entscheidungen, tiefe Enttäuschungen, Ängste, Abschiede letztlich doch allein zu tragen sind, sosehr der Andere auch beisteht. Freuden werden leicht gemeinsamer Besitz, Leid neigt dazu, Eigentum des Betroffenen zu bleiben, denn beim besten Willen kann einer dem Anderen nicht alles abnehmen, nicht pausenlos sich in seine Welt einfühlen und hineindenken.
    Außer der Freude am Zusammensein braucht die Beziehung daher auch das Alleinseinkönnen in allen Facetten. Die gewollte Einsamkeit , die zum Zusammensein gehört, ermöglicht, sich wieder eingehender mit sich selbst zu befassen, einiges für sich zu klären und erneut mit sich »ins Reine« zu kommen. Im Denken, Fühlen und beinahe körperlich weiß das Selbst dabei den Anderen stets bei sich; die Einsamkeit im Vollgefühl der Geborgenheit wird zur neuen Ressource, wieder füreinander da sein zu können. Ist einer der beiden aber mit ungewollter Einsamkeit konfrontiert, die schwer auf ihm lastet und nicht schon gleich wieder vergeht, etwa aufgrund einer Missstimmung oder eines Zerwürfnisses, ist die frühere Einübung in die Einsamkeit hilfreich, um besser damit zurechtkommen zu können: Keiner soll darauf angewiesen sein, aus Verzweiflung fragwürdige Kompromisse mit dem Anderen eingehen zu müssen, die doch nur verhindern sollen, in ungewollter Einsamkeit zu versinken. Droht aber die bedrückendste Form, die anhaltende Einsamkeit in der Zweisamkeit , ist ihr die Trennung wohl noch vorzuziehen, um nicht äußerlich ein Paar, innerlich aberdauerhaft unverstanden und ungeliebt zu sein. Sich ausgeschlossen zu fühlen aus dem Leben des Anderen, trotz der äußeren Gemeinschaft mit ihm nicht

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