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Die Liebe deines Lebens

Die Liebe deines Lebens

Titel: Die Liebe deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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erinnern, was ich gesagt hatte; vielleicht war es meine Schuld gewesen. Ich dachte an die beiden kleinen Mädchen, die sich fragten, warum ihr Daddy nicht aufwachte wie immer. Dann sah ich zu dem Mann auf der Brücke und dachte an die zahllosen Leben, die von seinem Bedürfnis, seinen Schmerz zu beenden, seiner Unfähigkeit, einen anderen Ausweg zu sehen, in Mitleidenschaft gezogen wurden.
    Auf einmal schoss ein Adrenalinstoß durch meinen Körper, und ich wusste, dass ich mich nicht anders entscheiden konnte. Ich hatte keine Wahl. Ich musste den Mann auf der Brücke retten.
    Diesmal würde ich es anders angehen, ich hatte seit der Sache mit Simon Conway mehrere Bücher gelesen, um herauszufinden, was ich falsch gemacht hatte und wie ich ihn von seinem Vorhaben hätte abbringen konnte. Ich musste mich zunächst ausschließlich auf den Mann auf der Brücke konzentrieren und den Auflauf um mich herum ignorieren. Die drei Leute neben mir begannen sich zu streiten, was zu tun war, aber das würde niemandem helfen. Ich setzte einen Fuß auf die Treppe. Ich würde es schaffen, redete ich mir zu, und ich fühlte mich selbstbewusst und als Herrin der Lage.
    Der Wind war so kalt, dass er sich anfühlte wie ein Schlag ins Gesicht, der mir sagen wollte: »Wach auf! Mach dich bereit!« Von der Kälte taten mir die Ohren weh, meine Nase war ganz taub und fing an zu laufen. Es war Flut und das Wasser der Liffey schwarz, trübe, heimtückisch, abweisend. Ich löste mich aus der Menge, die gespannt hinter mir wartete, und versuchte zu vergessen, dass jedes Wort, das ich sagte, und jeder zittrige Atemzug vom Wind in die Ohren der umherstehenden Schaulustigen getragen werden konnte. Dann sah ich ihn genauer: Eine Gestalt in Schwarz stand auf der falschen Seite des Geländers, die Füße auf dem schmalen Sims über dem Wasser, mit den Händen an die Brüstung geklammert. Es war zu spät für einen Rückzieher.
    »Hallo«, rief ich leise, denn ich wollte ja nicht, dass er vor Schreck losließ und ins Wasser stürzte. Obwohl ich mich anstrengen musste, den Wind zu übertönen, achtete ich darauf, ruhig und klar zu sprechen, ausgeglichen und sanft, denn ich hatte gelesen, dass man keinen scharfen Ton anschlagen und auf jeden Fall Blickkontakt halten sollte. »Bitte machen Sie sich keine Sorgen, ich werde Ihnen nicht zu nahe kommen.«
    Der Mann drehte sich um, warf mir einen Blick zu und starrte dann sofort wieder hinunter ins schwarze Wasser. Es war offensichtlich, dass er mich kaum wahrgenommen hatte. Er war zu sehr in seine Gedanken vertieft, in die Grübeleien, die ihm durch den Kopf gingen.
    »Ich heiße Christine«, sagte ich und kam langsam und mit kleinen Schritten näher. Weil ich sein Gesicht sehen wollte, hielt ich mich dicht am Rand der Brücke.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind!«, rief er. Die Panik in seiner Stimme war nicht zu überhören, und ich blieb stehen. Die Entfernung war mir recht, eine Armlänge. Wenn es sein musste, konnte ich ihn packen.
    »Okay, okay, ich bleibe, wo ich bin.«
    Wieder drehte er sich um, offenbar wollte er wissen, wie weit ich noch weg war.
    »Konzentrieren Sie sich, ich möchte nicht, dass Sie fallen.«
    »Fallen?« Mit einer raschen Bewegung blickte er zu mir hinauf, dann wieder nach unten und wieder zurück zu mir. Unsere Blicke trafen sich. Er war Mitte dreißig, mit kantigem Kinn, die Haare unter einer Wollmütze verborgen. Seine blauen Augen starrten mich an, aufgerissen und verängstigt, die Pupillen so groß, dass sie fast die ganze Iris ausfüllten. Einen Augenblick überlegte ich, ob er vielleicht Drogen genommen hatte oder betrunken war. »Ist das Ihr Ernst?«, fragte er. »Glauben Sie vielleicht, es macht mir was aus, wenn ich falle? Meinen Sie, ich bin zufällig hier?« Dann versuchte er, mich wieder auszublenden, und fixierte den Fluss.
    »Wie heißen Sie?«
    »Lassen Sie mich in Ruhe«, fauchte er und fügte dann etwas freundlicher hinzu: »Bitte.«
    Sogar in dieser verzweifelten Lage war er höflich.
    »Ich mache mir nur Sorgen. Ich sehe, dass es Ihnen nicht gutgeht, und möchte Ihnen helfen.«
    »Ich will aber mit niemandem reden. Und ich brauche Ihre Hilfe nicht.« Wieder tat er, als wäre ich nicht da, und konzentrierte sich ganz auf das schwarze Wasser. Ich beobachtete, wie seine Fingergelenke abwechselnd weiß und dann wieder röter wurden, während er das Geländer mal fester und mal weniger fest umklammerte. Jedes Mal, wenn er den Griff lockerte, begann mein Herz zu hämmern,

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