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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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gibt … Und Ihre Kinder, erinnern Sie sich an die auch nicht?«
    »Nein, ich entdecke sie ganz neu. Es ist eine merkwürdige Situation. Ich finde sie wunderbar, aber es bereitet mir große Schwierigkeiten, vom Singledasein zur Ehefrau und Mutter zu wechseln. Ich weiß auch nicht, wer ich in letzter Zeit war … Aber es tut mir gut, jetzt darüber zu sprechen.«
    »Sie haben einen anderen Blick als früher. Das fiel mir gleich auf, als Sie mir öffneten.«
    »Sie dürfen nicht vergessen, dass ich Sie nicht kenne.«
    »Ja, natürlich. Aber ich glaube, es ist noch etwas anderes.«
    Er denkt nach. Seine Niedergeschlagenheit scheint verflogen. Er ist ein junger, zuversichtlicher Mann. Ich spüre, dass er mir helfen will.
    »Möchten Sie vielleicht, dass ich Ihnen die Stücke vorspiele, die wir zusammen eingeübt haben? Wer weiß, wenn Sie die Musik hören …«
    Ich nehme sein Angebot an. Er setzt sich an meinen Platz und beginnt einen Walzer von Chopin, dann Mozart, Schumann. Angesichts der Fülle meines Verlustes bin nun wieder ich niedergeschlagen. Ich kenne alle diese Stücke, ich liebte sie lange Zeit, bevor ich sie spielen konnte, falls ich sie tatsächlich je gespielt haben sollte. Allein die Vorstellung lässt mich erschaudern. Er hält inne, bemerkt meine Bedrängnis. Ich rechne immer noch damit, jeden Moment aufzuwachen, diese Geschichte kann nur ein ganz bescheuerterAlptraum sein, und jetzt setzen mich meine toten Finger wieder zurück an den Ausgangspunkt.
    »Wollen wir es versuchen? Können Sie Noten lesen?«
    »Den G-Schlüssel, so gerade eben. In der Schule habe ich Flöte gespielt. Ich glaube, es hat keinen Sinn, es zu versuchen. Wie war noch Ihr Name?«
    »Enrique.«
    »Sie sind sehr nett, Enrique. Ich werde Sie anrufen, sobald ich mein Gedächtnis wiedergefunden habe oder mein Vergessen geheilt ist, ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Die Stücke, die sie mir vorgespielt haben, erzeugen in mir lediglich die Freude, sie zu hören. Doch ich kann mich nicht entsinnen, sie selbst jemals gespielt zu haben. Das erscheint mir alles völlig absurd.«
    »Mir auch, das können Sie glauben!« Er macht einen empörten und unglücklichen Eindruck.
    »Ich werde Ihnen den Unterricht trotzdem bezahlen.«
    »Was reden Sie denn da? Es geht mir nicht um Geld. Sie sind meine beste erwachsene Schülerin, das kann ich nicht annehmen.«
    »Was soll das heißen, Sie können nicht …? Meinen Sie etwa, ich kann das annehmen?«
    »Verzeihen Sie mir, ich bin egoistisch. Ich fürchte nur … Nun ja, ich glaube, ich kann Ihnen nicht helfen.«
    »Nein, das können Sie wohl nicht.«
    Er sammelt schweigend seine Partituren ein. »Und was sagt Pablo dazu?«
    »Sie kennen meinen Mann?«
    »Wir sind uns ein paar Mal begegnet, hin und wieder haben Sie mich auch zum Abendessen eingeladen. Wir unterhielten uns auf Spanisch, wenn wir uns trafen. Ich wohne hier in der Gegend.«
    »Ach so … Ich kann Sie ja wieder mal einladen, wenn wir ein Essen machen. Aber mein Mann ist nicht auf dem Laufenden, ich habe ihm nichts gesagt. Ich weiß, das klingt komisch.Aber bis jetzt habe ich nur mit einer Freundin und mit Ihnen darüber gesprochen. Wenn Sie ihn also treffen sollten …«
    »Keine Sorge. Ich werde ihm sagen, dass ich zur Zeit wichtige Vorspieltermine und viele Konzerte habe. Als Erklärung für die Unterrichtspause. Können Sie das behalten? Es wäre mir lieb, wenn unsere Versionen identisch wären.«
    Ich lächle. »Ja, Enrique. Ich habe nicht mein aktuelles Gedächtnis verloren, nur das von früher.«
    »Auf Wiedersehen, Marie. Rufen Sie mich an, wenn Sie jemanden zum Reden brauchen, das muss ein bedrückendes Geheimnis sein. Und obwohl es mich nichts angeht: Ich an Ihrer Stelle würde mit Pablo reden.«
    »Danke, Enrique. Aber Sie sind nicht an meiner Stelle.«
    Ich drücke fest seine Pianistenhand in der meinen, die nichts mehr spielen kann, und flüchte in die Küche, um Kaffee zu kochen. Zu viele Episoden dieser Art sollten sich nicht zutragen, das ist anstrengend. Verrückt, wie viele Dinge man in zwölf Jahren neu lernt, erlebt, entscheidet.
    Nachdem ich nun so manches über meine Fähigkeiten und Wünsche erfahren habe, bricht eine Lawine von Fragen über mich herein. Es ist ungefähr so, als wenn man eine sehr enge Freundin wiedertrifft, die man seit Jahren nicht gesehen hat: »Und, was machst du so?« – »Nichts«, hätte ich auf diese Frage immer am liebsten geantwortet. Muss man denn immer etwas machen oder sein?

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