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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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monatlichen Arbeitstage weniger waren als üblich. Bestimmt habe ich mir einen Tag für die Kinder freigenommen, vielleicht den Mittwoch?
    An diesem Mittwoch jedenfalls verschwindet die Tagesmutter mit unbekanntem Ziel und sagt: »Heute bringe ichsie«. Sie kommt alleine zurück; zwei Stunden später will sie wieder los, um sie abzuholen, und ich begleite sie. Ich bin schockiert, als ich Youri auf einem Trapez einige Meter über der Erde schaukeln sehe. Das Netz darunter beruhigt mich nur wenig. Und in einer anderen Ecke des Raums, der wie eine Turnhalle aussieht, scheint sich Lola vollkommen in ihrem Element zu fühlen: Sie balanciert mit ausgestreckten Armen über ein Seil, den Blick auf einen Punkt am Horizont gerichtet. »Gut, Lola«, sagt eine junge Frau an ihrer Seite. »Du machst große Fortschritte.«
    Neben mir lässt sich eine andere Dame über die Zirkusschule informieren. Als ich hereinkam, habe ich gar kein Schild gesehen.
    »Und die Kleine dort, wie lange kommt die schon?«, fragt die Frau die Lehrerin.
    »Lola hat mit drei angefangen. Aber das ist kein Normalfall, sie ist überdurchschnittlich begabt. Sie taucht sofort in eine Rolle ein, ob es Purzelbäume sind, Clownerien oder Seiltanzen, sie vermischt Akrobatik und Schauspielerei. Manche Kinder sind gleich auf der Bühne zu Hause, wie Lola, und andere finden erst über Umwege einen Zugang.«
    Ich plustere mich auf. Meint sie wirklich meine Tochter? Ich schaue meiner kleinen Akrobatin zu und denke, jeder Mensch bewegt sich auf einem Seil. Einige haben die Gabe, darauf zu tanzen, und bei den anderen den Anschein zu erwecken, sie seien dort vollkommen sicher. Wann kommt der Absturz?

    »Gefällt sie dir nicht?«
    »Doch, sehr. Aber irgendwie finde ich es merkwürdig, warum gerade eine Uhr?«
    »Ich weiß nicht. Dieses komplizierte System, das die Kugeln bewegt, hat mich fasziniert. Das ist wie die physische Darstellung der vergehenden Zeit.«
    Ich habe Pablo eine Uhr geschenkt, die über einen Pendelmechanismusfunktioniert. Jede Minute purzelt eine Kugel in den unteren Teil der Uhr, wo wiederum die Stunden gezählt werden. Er wirkt irritiert.
    »Toll!«, wiederholt er, als wolle er sich selbst überzeugen. »Dann kann ich ja jetzt immer die Kugeln zählen, die mich von dir trennen!« Er wirft mir seinen schelmischen Blick zu und streicht sanft über die Uhr.
    »Hör auf, dich über mich lustig zu machen. Wenn sie dir nicht gefällt, kann ich sie umtauschen.«
    Er protestiert. »Nein, ich bin nur überrascht, das ist alles. Sie gefällt mir. Es ist nur … Wie soll ich sagen? Ein Geschenk, das nicht zu dir passt. Außerdem habe ich weder Namenstag noch Geburtstag. Als du mit diesem Päckchen ankamst, habe ich gedacht: ›Mist, welchen Termin habe ich jetzt schon wieder verpennt?‹ Du weißt doch, dass ich unfähig bin, mir irgendein Datum zu merken. Ich weiß ja nicht mal, wann ich selbst geboren bin. Ich will damit sagen, spontane Geschenke sind eher deine Spezialität. Aber das …«
    Ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll. Ich versichere ihm, dass mir die Daten inzwischen auch total egal seien, das hätte ich von ihm gelernt. Ich bin beschwingt, diese Spielerei hat mich völlig in ihren Bann gezogen. Ich stand bestimmt über eine Viertelstunde vor dem Schaufenster und habe ihr zugeschaut. Mein merkwürdiges Abenteuer hat mich die Zeit anhalten lassen, und nun sehe ich zu, wie sie vergeht. Bin ich deswegen wahnsinnig? Von wegen Sainte-Anne. Ich werde keine Pillen schlucken. Ich habe Durst, ich habe Hunger, ich nehme den Duft einer Apfelsine, den Geruch der Blumen nach einem Regenguss wahr, ich habe Lust auf Sex, ich bin lebendig. Ich habe lediglich den Schlüssel zu einer Schublade verloren. Na und? Meine Großmutter hat immer gesagt, man fände die Dinge wieder, wenn man sie nicht suchte. »Und wenn man Dinge zu oft verliert, finden einen die Dinge wieder«, sagte sie amEnde ihres Lebens. Gute Idee. Ich werde die Dinge mich wiederfinden lassen.

    Aber jetzt statte ich erst einmal meinem früheren Arbeitsplatz einen Besuch ab, nur so, aus Interesse. Ich werde überschwänglich von einer mir unbekannten Blondine begrüßt.
    »Marie! Wie lieb, dass du uns besuchen kommst!«
    Ich habe Lust, sie zu enttäuschen. »Purer Zufall, ich hatte in der Gegend zu tun.«
    Sie ist sichtlich getroffen. »Na, dann will ich dich nicht aufhalten, du möchtest bestimmt noch vielen hallo sagen.«
    In Wirklichkeit kommen eine Menge Leute, um mir hallo zu sagen. Manche

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