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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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gesprochen. Über die Paarkonstellation in deiner Geschichte. Und er hat sich gewundert, dass ich ihn gesiezt habe.«
    »Du hast Igor gesiezt?«
    »Ja, ich hatte keine Lust mehr, ihn zu duzen.«
    Trotz seiner Wut deutet Pablo ein Lächeln an und küsst mich.
    »Es tut mir leid, Marie. Du kannst dir denken, dass ich ihn nach dem Abend neulich nicht eingeladen habe.« Wovon redet er? Welcher Abend? »Aber du weißt ja, wie so eine Redaktion funktioniert: Er ist immer mehr oder weniger auf dem Laufenden. Ich habe ihn sogar im Verdacht, einen genauen Terminkalender über alle Kino-Events zu führen, die ich besuchen könnte.« Pablo legt fürsorglich den Arm um mich. »Alles klar? Hat er dich nicht …? Ich meine … hat er sich anständig benommen?«
    »Aber ja, Pablo, alles klar, wirklich.«
    Seine Sorge rührt mich und macht mir wieder bewusst, was ich alles nicht weiß. Und ich dummes Huhn dachte, bei so einer mondänen Veranstaltung würde man vor allem über den Film reden! Ich hatte es mir deutlich einfacher vorgestellt. Zum ersten Mal seit einer Woche sollte das Hauptthema des Abends etwas sein, das ich noch nicht vergessen habe. Ein Geschenk des Himmels. Und dann gab es auch noch eine Verschiebung. Statt am Montag, wie geplant, fand die Vorführung erst am Mittwoch statt. Pablo hatte mich Montagnachmittag angerufen, damit ich dem Babysitter absage, den ich in Wirklichkeit nie bestellt hatte. Schon dieses Detail sagt viel über die andere Frau, die organisierte Mutter, die ich gewesen sein muss und von der ich nun meilenweit entfernt bin.
    Als ich mit den Problemen meiner kleinen Sippe überfordert war, rief ich Catherine an. Sie gab mir ein paar Tipps, wie ich Lolas Fieber und Zoés Zahnungsschmerz lindern konnte, und klärte mich kurz über all die medizinischen Phänomene auf, mit denen man als Mutter tagtäglich zu rechnen hat. Die Liste ist erschreckend lang. Drei Kinder unterschiedlichen Alters sind das Schlimmste, was mir passieren konnte. Wenn ich daran denke, dass ich das alles mal im Griff hatte, bin ich ehrlich erstaunt. Wo hatte ich das her? Kommen die Spiele, die Träume, die tägliche Liebe mit der Niederkunft, oder wachsen sie nach und nach mit derBeziehung? Wenn ich jetzt an mein früheres, gar nicht so fernes Leben denke, muss ich lachen. Und wenn ich darüber lachen kann, habe ich mein Vergessen vielleicht schon akzeptiert. Nein, ich kann mich nicht daran erinnern, ein Leben mit Familie geplant oder gewünscht zu haben. Paradoxerweise sehe ich aber ein, dass mein Leben als Single ein ganz schöner Egotrip war, die Tage plätscherten dahin, und ich war nur mit mir selbst beschäftigt: mit meinen kleinen abendlichen Amüsements, meinen kleinen Wochenenden, meinen kleinen Jobs, meinen kleinen Vergnügungen. Einfach nur kleine Dinge zu haben ist eine ganz andere Art von Reise. Bereichernd, ausgefüllt und von einer wohltuenden Selbstvergessenheit. Wie sah mein Leben noch vor einer Woche aus, als meine einzige Sorge darin bestand, diesen neuen Job zu feiern? Was habe ich mit meiner Freizeit angestellt, als ich nichts zu tun und noch weniger zu geben hatte? Diese Fragen drängen sich mir nun auf, und es scheint mir ungeheuerlich, dass ich mich nach so kurzer Zeit schon derart verleugne. Wenn mein Leben tatsächlich so vollkommen und schön war, warum bloß habe ich es dann innerhalb von einer Nacht ausradiert? Aber auch das ist unklar. Denn es gibt keinen Beweis dafür, dass ich mein Gedächtnis auf einen Schlag verloren habe. Vielleicht dauerte es ja länger, vielleicht hat es sich peu à peu aus dem Staub gemacht. Da ich mich niemandem anvertraut habe, abgesehen von einer Freundin, mit der ich sechzehn Monate lang keinen Kontakt hatte, kann ich diese Theorie natürlich nicht überprüfen.
    Meine Distanz zu den Dingen und Menschen verleiht meiner Einsamkeit Züge der Entfremdung. Der einzige Bezug, den ich zur Realität habe, ist die Verankerung in dieser behaglichen Familie und Umgebung. Das Gedächtnis meiner Lieben ist der Garant meiner Existenz. Aber bin ich überhaupt gezwungen, mich all dem anzuschließen? Ich könnte genauso gut von einem Tag in den nächsten leben,doch diese Ablösung macht mir Angst, so verlockend sie auch sein mag. Ist Amnesie eine Art von Wahnsinn? Kann man davon geheilt werden, die Seinen vergessen zu haben? Manchmal stürze ich von einem Moment auf den anderen von der fröhlichen Heiterkeit des geordneten Alltags in die tiefste Niedergeschlagenheit. Auf einmal bin ich

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