Die Liebe der anderen
doch immer darum, auf seine Träume achtzugeben und sie mit dem Leben in Einklang zu bringen. Zu wissen, was man verloren hat und was noch da ist. Was man nicht mehr gibt, und warum nicht. Ich weiß nur eine Sache, die mich wohl nicht wieder loslassen wird: Ich will keine tote Liebe. Ich will nicht nach den Regeln selbstgefälliger, paranoider und erloschener alter Paare leben. Ich will keine falsche Liebe aus falschen Vorwänden, falschen Dialogen, falschen Beziehungen, falschen Kerzenscheindinnern. Ich will keine sterbende Liebe, die zu allem bereit ist, nur um zu vertuschen, dass sie sich nicht wieder erholt. Ich will keinen Mann, der all dies nicht weiß und vergessen hat, dass er vielleicht einmal ein verliebter Mann war. Oder ich will nicht mehr leben!
Ich habe vergessen, wer ich bin. Manchmal versuche ich mich an die junge Frau zu erinnern, die einst Pablos Bekanntschaft machte, an ihre Unbekümmertheit, ihr Lachen. Bin das wirklich ich gewesen, dieses unbeschwerte Mädchen, das alles so leichtnahm? Was hat sich verändert? Pablos Blick ist kalt, sehr kalt. Ich glaube, seit Zoés Geburt ist unsere Beziehung immer schlechter geworden, aber ich weiß nicht warum. Wie nach Lolas und Youris Geburt genossen wir anfangs unsere Zweisamkeit. Aber dann kam meine Erschöpfung, die große Herausforderung durch dieses anspruchsvolle Baby, das nie schlafen wollte, mein Körper brauchte lange, um sich wieder zu erholen, und plötzlich sah mich Pablo mit anderen Augen. Das merke ich besonders, seit wir hier sind. Er betrachtet mich nicht mehr, er bewertet mich. Er prüft mich. Er mustert mich von oben bis unten, oder ich sollte besser sagen: von vorne und hinten, denn er hat gefragt, ob ich denn nichts für meinen armen Körper tun könne. Er gab mir zu verstehen, dass er als Argentinier ein Ästhet sei und dass die Verlockung durch ein ›gut gebautes Mädchen‹ (so seine Formulierung) zugroß sein werde für einen Mann wie ihn. Sogar seine Worte ähneln ihm nicht mehr. Und plötzlich sehe ich in ihm einen verächtlichen Zwerg, der nicht sehr interessant ist und ziemlich hohe Ansprüche hat. Ich entdecke einen Mann, den ich nicht kenne, einen Mann, der sich und seine Qualitäten als liebender Partner nicht hinterfragt. Manchmal habe ich fast den Eindruck, Igor mit seinem grausamen Zynismus vor mir zu haben. Er macht sich wohl keine Vorstellung davon, wie verletzend seine Worte und seine Zweifel sind. Als könnte eine liebende Frau ihren Körper vergessen! Sich gehen lassen, ihr Äußeres vernachlässigen! Das einzige, was sich in der Tat kaum vergessen lässt, ist der Körper!
Ich versuche mir einzureden, dass es an den Dreharbeiten liegt, an seiner Angst, als Regisseur zu versagen, seinen Abstechern nach Paris mitten in den Ferien, doch ich glaube nicht mehr an die Vorwände, die ich für ihn erfinde. Seine verbalen Attacken sind einfach zu heftig. Ich habe versucht, mit ihm zu reden, doch es ist vergeblich. Er hört nicht zu, er hört nur sich. Wo ist der Mann, mit dem ich früher zusammenlebte? Er speist mich mit zurechtgelegten Sätzen ab, mit Ansichten über die Partnerschaft, die einst meine eigenen waren, die er aber verdreht und gegen mich verwendet. Er wundert sich, dass ich seine Grausamkeiten, die er genau so zu meinen scheint, nicht nach ein paar Sekunden vergessen habe.
Ich kann den Schmerz über seine Ablehnung nicht einfach abschütteln. Ich fühle mich in meiner Liebe gedemütigt. Mir käme es nie in den Sinn, mich zu fragen, ob er mir in zehn Jahren noch gefallen wird. Ich liebe ihn so, wie er ist. Ich zweifle weder an ihm noch an seiner Fähigkeit, mir zu gefallen. Hier und jetzt will ich glücklich sein. Ich beurteile Liebende nach der Sehnsucht, die sie füreinander empfinden können.
In welchem Moment bricht der Dialog ab, wann wird aus dem gemeinsamen Leben eine langsame Agonie? Ich denkean Romain Gary in
Frauenlicht
: ›Paarprobleme? Welche Paarprobleme? Es gibt entweder ein Paar oder Probleme.‹ Die Romane sind voll von diesen verschmelzenden Liebenden, die einander verfehlen und zerstören, und wir lesen sie mit der Gier von Ertrinkenden … Weil wir uns darin wiedererkennen?
Wie oft werde ich mich noch leidvoll an mein einstiges Begehren erinnern, das so wenig mit meinem Leben heute zu tun zu haben scheint? Ich träumte von der idealen Beziehung, ohne Zank und Streit. ›Ich liebe dich bis ans Ende der Welt, ich liebe dich bis in alle Ewigkeit‹, so etwas sagt heute niemand mehr, und
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