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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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Idiot. Ich werde nie wieder vor irgendetwas Angst haben. Du bist nicht mehr dieselbe, genauso wenig wie ich es bin.«
    Ich schaue ihn schweigend an. Diesmal halte ich seinem Blick stand. Offenbar deutet er meine ernste Miene als stummen Protest.
    »Ich weiß, wir haben eine Abmachung. Es ist ein wahres Wunder …« Er scheint zu zögern, will etwas sagen, doch dann kommt Lola dazu und zieht ihn am Ärmel. Er verschwindet mit einer entschuldigenden Geste.

    »Papa, komm schwimmen. Es ist überhaupt nicht kalt, wirklich. Stimmt’s, Mama?«
    »Ja, mein Schatz. Du hast recht, es ist nicht kalt. Es ist eisig.«
    Wir sind in Collias, am Ufer eines Flusses. Ein wunderschöner Tag. Seit einer Woche genieße ich nun das Leben hier, die Sonne, Pablos Liebe, die alltäglichsten Kleinigkeiten – ein Heft habe ich allerdings immer noch nicht aufgetan. Ich bin ein bisschen enttäuscht, lasse mich jedoch frohgemutvom Leben dahintreiben … Vielleicht gibt es diese Notizen ja gar nicht.
    »Marie? Warst du Anfang Mai mal hier? René hat mir erzählt, dass er dich in Avignon vom Bahnhof abgeholt hat. Davon wusste ich gar nichts. Ich dachte, du wärst für die Firma irgendwo in der Provinz gewesen.«
    Dann bin ich also, nachdem ich das Kind verloren hatte, hierher zu unserem Haus gefahren. Das wundert mich nicht sehr. Ich muss dringend dieses Heft finden … »Marie, du sagst ja gar nichts?«
    Immer diese Angst, an der Wahrheit vorbeizureden, oder die Wahrheit zu sagen und auch dabei noch zu lügen. »Ich glaube, ich wollte allein sein, ich brauchte mal eine Pause. So war das wohl …« So war das wohl nicht. Jetzt vor allem die Ruhe bewahren, nur keine Panik. Er ist auf der Lauer, scheint weiter nachbohren zu wollen. Ich lasse mich in seine Arme gleiten. »All das war vorher. Das weißt du doch.« Jetzt übertreibe ich wirklich! »Eines Tages werden wir über all diese Dinge reden, einverstanden?« Ich lasse ihn nicht antworten und küsse ihn.
    Er protestiert, gibt aber klein bei. »Habe ich eine Wahl?«
    Vom anderen Ende der Lichtung rufen die Kinder: »Igitt, pfui, die knutschen!«
    »Na wartet, Kinder, jetzt kriege ich euch, ich bin ein Menschenfresser und werde euch verschlingen.«
    Das war wieder einmal die Rettung kurz vor dem Gong. Wie lange noch? Es hat keinen Sinn mehr zu schweigen. Dominique hat recht. In meiner Bitterkeit, bis zur Nostalgie alles vergessen zu haben, versuche ich es manchmal mit Humor: Ich habe immerhin Glück im Unglück. Nur weil ich mich um zwölf Jahre verjüngt habe, kann ich diesen ganzen Zirkus ertragen, und das Älterwerden ist auch kein Problem, da ich ja nichts davon weiß.
    Meine Familie macht sich über das Picknick her. Pablo küsst mich in den Nacken.
    »René sagte, du sahst sehr schlecht aus, als du hier warst. Er und Jeanne haben sich große Sorgen um dich gemacht … Marie, warum bist du in unser Haus gefahren, ohne es mir zu sagen?«
    »Mama, hast du deine Gitarre nicht mitgenommen?«
    Ich ergreife die Chance, die Youri mir gibt, und wechsle hastig das Thema. Pablo, verzeih, aber ich schaffe es nicht. Ich müsste dir alles sagen, nur wie?
    »Wisst ihr, Kinder«, sagt Pablo, »es war eure Mutter, die unser Haus fand, als Youri und ich zum Ponyreiten hier bei Gérard waren. Mama ging mit Lola spazieren, die noch ein Baby war, und dabei hat sie das Häuschen entdeckt. Und dann haben wir es René und Jeanne abgekauft.«
    »Stimmt das, Mama? Und gab es da die Schaukel auch schon?«, fragt Youri.
    »Nein, noch nicht, mein Schatz. Das war Papas Schnapsidee!«
    Pablo bricht in Gelächter aus. »Du erinnerst dich an die verrückte Tour durch die Kaufhäuser von Avignon, um diese Schaukel aufzutreiben?«
    Nein, leider erinnere ich mich immer noch kein Stück! Aber ab und zu treffe ich trotzdem ins Schwarze, verdammt.
    »Guck mal, Mama, der Felsen ist mein Sessel«, ruft Lola mir zu. »Er ist genauso groß wie ich, vier Jahre.«
    »Dein Felsen ist auch der von Mamas Gitarre«, sagt Pablo, »da hat sie nämlich immer ihren Koffer hingestellt.«
    Meine erste Gitarre. Eine Epiphone, die mein Großvater mir schenkte, als ich fünfzehn war. Ich sehe sie noch vor mir in dem Koffer, mit orangefarbener Seide ausgeschlagen und einem Fach für die Noten … Mein Herz macht einen Luftsprung. Das Notenfach! Darin habe ich früher immer die Hefte mit meinen Gedichten versteckt. Und ich bin überzeugt: dort bewahre ich auch meine Notizen auf, ganz sicher!

    »Juli 1999. Woraus bestehen meine Träume? Es geht

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