Die Liebe des letzten Tycoon
haben, wenn das Haus kein Dach hat.«
Nun wusste er also etwas über sie. Nicht wie gestern Abend, als wie in einer Drehbuchkonferenz etwas in ihm geflüstert hatte: »Wir wissen nichts über die Frau. Viel brauchen wir nicht zu wissen, aber doch wenigstens etwas.« Ein vager Hintergrund zeichnete sich ab, etwas immerhin Konkreteres als Shivas Kopf im Mondlicht.
Das Lokal mit den vielen sonntäglichen Autos wirkte wenig einladend. Der dressierte Seehund begrüßte Stahr mit freudigem Knurren. Sein Besitzer erzählte, dass der Seehund beim Autofahren nie auf der Rückbank sitzen wollte, sondern immer über die Rückenlehne auf den Beifahrersitz kletterte. Der Mann war dem Seehund hörig, ganz klar, auch wenn er es noch nicht wahrhaben wollte.
»Ich würde gern das Haus sehen, das Sie sich bauen«, sagte Kathleen. »Keinen Tee. Tee ist die Vergangenheit.«
Sie trank stattdessen eine Cola, und sie fuhren zehn Meilen in so gleißender Sonne, dass er aus einem Fach im Auto zwei Sonnenbrillen holte. Fünf Meilen später bogen sie auf eine kleine Landzunge ab – und da war der Torso von Stahrs Haus.
Ein Gegenwind wehte aus der Richtung der Sonne und warf Gischt auf die Felsen und über den Wagen. Betonmischer, rohes gelbes Holz und Bauschutt warteten – eine offene Wunde in der Küstenlandschaft – auf das Ende des Sonntags. Sie gingen nach vorn, wo große Steinblöcke sich zu dem türmten, was einmal die Terrasse werden sollte.
[136] Sie blickte auf die kümmerlichen Hügel dahinter und zuckte ein wenig zusammen angesichts der kalten Pracht, und Stahr sah…
»Zwecklos, nach etwas Ausschau zu halten, was nicht da ist«, sagte er munter. »Stellen Sie es sich vor, als stünden Sie auf einem Globus – so was habe ich mir als Junge immer gewünscht.«
Sie überlegte einen Augenblick. »Verstehe. Dabei spürt man, wie die Erde sich dreht, nicht?«
Er nickte. »Ja. Sonst heißt es immer nur mañana – man wartet auf den nächsten Morgen oder den Mond.«
Sie betraten durch das Baugerüst das Haus. Ein Raum, der künftige große Salon, war fertig, bis hin zu eingebauten Bücherregalen, Vorhangstangen und einer Bodenklappe für den Filmprojektor. Und zu Kathleens Überraschung kam man von dort auf eine Veranda, auf der Stühle mit Kissen und ein Pingpongtisch standen. Dahinter, auf dem frisch angelegten Rasen, war ein weiterer Pingpongtisch.
»Letzte Woche habe ich hier einen vorgezogenen Empfang gegeben«, gestand er. »Da hab ich ein paar Requisiten herbringen lassen – Gras und so weiter. Ich wollte ein Gefühl für das Haus bekommen.«
Sie lachte plötzlich. »Ist das kein echtes Gras?«
»Doch, es ist Gras.«
Hinter dem angedeuteten Rasenstreifen war der Swimmingpool ausgeschachtet, in dem ein Schwarm Möwen sich häuslich niedergelassen hatte. Beim Anblick der Menschen flatterten sie auf und flüchteten.
»Wollen Sie hier ganz allein leben?«, fragte sie. »Ohne Showgirls?«
[137] »Wahrscheinlich. Früher habe ich Pläne gemacht, aber das habe ich mir abgewöhnt. Ich habe mir gedacht, dass man hier schön Drehbücher lesen könnte. Das Studio ist mein eigentliches Zuhause.«
»So ähnlich habe ich das von amerikanischen Geschäftsleuten sagen hören.«
Er spürte einen Hauch von Kritik in ihrer Stimme.
»Man tut das, wozu man geboren ist«, sagte er behutsam. »Ungefähr einmal im Monat versucht mich jemand zu bekehren, schildert mir in düsteren Farben die Leere, die mich im Alter erwartet, wenn ich nicht mehr arbeiten kann. Aber so einfach ist das nicht.«
Der Wind frischte auf. Es wurde Zeit zu gehen. Er hatte die Autoschlüssel aus der Tasche geholt und klimperte zerstreut mit ihnen, als von irgendwo durch den sonnigen Tag das silbrige »Hey!« eines Telefons schwirrte.
Es kam nicht aus dem Haus, und sie liefen im Garten hin und her wie Kinder, die ›wärmer‹ und ›kälter‹ spielen, bis sie den Apparat schließlich in einem Werkzeugschuppen neben dem Tennisplatz ausgemacht hatten. Das Telefon, verärgert über ihr Säumen, kläffte sie von der Wand her argwöhnisch an. Stahr zögerte.
»Soll ich das verdammte Ding läuten lassen?«
»Das würde ich nie fertigbringen. Es sei denn, ich wüsste, wer es ist.«
»Entweder ist der Anruf gar nicht für mich, oder jemand hat gut geraten.«
Er hob ab.
»Hallo… Ferngespräch von wo? Ja, hier Stahr.«
Seine Haltung änderte sich merklich. Sie sah, was in den [138] letzten zehn Jahren nur wenige Menschen gesehen hatten – einen
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