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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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beeindruckten Stahr. Es war kein Widerspruch, weil er sich häufig beeindruckt gab, aber es machte ihn vorübergehend ein wenig jünger.
    »Der Präsident«, sagte er, fast Haltung annehmend.
    »Ihrer Firma?«
    »Nein, der Vereinigten Staaten.«
    Er versuchte ihretwegen, sich ganz locker zu geben, aber seine Stimme klang freudig erregt.
    »Gut, ich warte«, sagte er ins Telefon, und zu Kathleen: »Ich spreche nicht zum ersten Mal mit ihm.«
    Sie sah ihn aufmerksam an. Er blinzelte ihr lächelnd zu, um deutlich zu machen, dass er sich zwar auf das Gespräch konzentrieren musste, sie aber darüber nicht vergessen hatte.
    »Hallo«, sagte er wenig später, horchte, sagte noch einmal »Hallo!«, runzelte die Stirn.
    »Können Sie ein wenig lauter sprechen?«, bat er höflich, und dann: »Wer?… Wie bitte?«
    Angewidert verzog er das Gesicht.
    »Ich will nicht mit ihm sprechen. Nein!«
    Er wandte sich an Kathleen.
    »Ob Sie’s glauben oder nicht, es ist ein Orang-Utan.«
    Er hörte sich eine offenbar langwierige Erklärung an, dann wiederholte er:
    »Ich will nicht mit ihm sprechen, Lew, ich habe nichts zu sagen, was einen Orang-Utan interessieren könnte.«
    Er winkte Kathleen und hielt den Hörer so, dass sie befremdliche Atemzüge und ein grämliches Grummeln hörte. Dann eine Stimme:
    »Kein Witz, Monroe. Der Kerl kann sprechen und [139] ist McKinley wie aus dem Gesicht geschnitten. Horace Wickersham steht neben mir, mit einem Bild von McKinley in der Hand…«
    Stahr ließ ihn ausreden.
    »Einen Schimpansen haben wir schon«, sagte er dann. »Der hat letztes Jahr John Gilbert mächtig gebissen… Meinetwegen, gib ihn mir noch mal.«
    Ernsthaft, wie zu einem Kind, sagte er: »Hallo Orang-Utan.«
    Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. »Er hat hallo gesagt«, meldete er Kathleen.
    »Fragen Sie ihn, wie er heißt«, schlug Kathleen vor.
    »Hallo Orang-Utan… Gott, so was möchte ich auch nicht sein… Weißt du, wie du heißt?… Offenbar nicht… Hör zu, Lew. Wir drehen nichts in der Art von King Kong, und im Haarigen Affen kommt kein Affe vor… Natürlich weiß ich das genau. Tut mir leid, Lew. Wiederhören.«
    Er ärgerte sich über Lew, weil er wirklich der Meinung gewesen war, es wäre der Präsident, und sich entsprechend gegeben hatte. Er kam sich ein bisschen lächerlich vor, aber Kathleen fühlte mit ihm, und die Sache mit dem Orang-Utan machte ihr Stahr noch sympathischer.
    *
    Als sie am Meer entlang zurückfuhren, hatten sie die Sonne im Rücken. Das Haus wirkte freundlicher, als sie es verließen, als hätte ihr Besuch es erwärmt. Sein harter Glanz war leichter zu ertragen, nachdem sie nicht mehr dort festsaßen wie Menschen auf einer kahlen Mondoberfläche. Als sie von einer Biegung am Strand zurückblickten, sahen sie, wie der Himmel sich hinter dem Rohbau rosa verfärbte, [140] und die Landzunge schien wie eine freundliche Insel, die für später durchaus auch schöne Stunden verhieß.
    Dann lag Malibu mit seinen grellbunten Hütten und Fischerbooten hinter ihnen; sie kamen wieder in bevölkerte Gegenden. Autos standen dicht an dicht am Straßenrand, die Strände sahen aus wie wimmelnde Ameisenhügel, und die dunklen Köpfe, mit denen das Meer gesprenkelt war, bildeten ein Muster.
    Immer mehr städtisches Gut kam in Sicht – Decken, Matten, Schirme, Kocher, Taschen voller Kleidungsstücke –, die Gefangenen hatten ihre Ketten neben sich in den Sand gelegt. Das Meer gehörte Stahr, falls er es haben wollte oder etwas damit anzufangen wusste – nur geduldet netzten diese anderen Hände und Füße in den wilden kalten Wasserspeichern der Menschenwelt.
    Stahr bog von der Küstenstraße ab, fuhr über eine Bergstraße einen Canyon hoch und ließ die Menschen hinter sich. Die ersten Außenbezirke der Stadt tauchten auf. Er hielt zum Tanken.
    »Wir könnten irgendwo essen«, sagte er fast bittend.
    »Sie müssen sicher arbeiten.«
    »Nein, ich habe mir nichts vorgenommen. Könnten wir nicht zusammen essen?«
    Er wusste, dass auch sie nichts vorhatte, keine abendliche Verpflichtung, kein bestimmtes Ziel.
    Sie kam ihm ein Stück entgegen.
    »Wollen wir dort drüben in dem Drugstore etwas essen?«
    Er besah ihn sich skeptisch. »Ist das Ihr Ernst?«
    »Ich esse gern in amerikanischen Drugstores. Sie haben so was Exotisches.«
    [141] Sie saßen auf hohen Hockern und aßen Tomatensuppe und heiße Sandwiches. So nah waren sie sich noch nie gewesen, und sie spürten beide eine gefährliche Art von Einsamkeit

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