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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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– bei sich und bei dem anderen. Gemeinsam nahmen sie die verschiedenartigen Gerüche des Drugstores in sich auf, bitter und süß und sauer, und das Geheimnis der Kellnerin, deren Haar nur in der obersten Schicht gefärbt und darunter dunkel war, und nach dem Essen das Stilleben ihrer abgegessenen Teller – ein Kartoffelschnitz, ein in Scheiben geschnittenes Gürkchen, ein Olivenkern.
    Draußen dämmerte es, sie fand jetzt nichts dabei, ihn anzulächeln, als sie wieder in den Wagen stiegen.
    »Haben Sie herzlichen Dank. Es war ein netter Nachmittag.«
    Es war nicht mehr weit zu ihrem Haus. Sie spürten den Anstieg der Straße, und das im zweiten Gang lauter werdende Motorengeräusch war der Anfang vom Ende. In den Bungalows, die sich an der Straße entlangzogen, brannte Licht. Er schaltete die Scheinwerfer ein. Stahr lag es wie ein Stein im Magen.
    »Das machen wir wieder einmal.«
    »Nein«, sagte sie rasch, als habe sie so etwas erwartet. »Ich schreibe Ihnen einen Brief. Tut mir leid, wenn ich so geheimnisvoll war, im Grunde war es ein Kompliment, weil ich Sie so gern mag. Sie sollten wirklich versuchen, nicht so viel zu arbeiten. Sie sollten wieder heiraten.«
    »So was dürfen Sie jetzt nicht sagen«, protestierte er. »Heute – das waren nur Sie und ich. Mag sein, dass ich Ihnen nichts bedeute. Mir hat es sehr viel bedeutet. Ich hätte gern ein bisschen Zeit, um mit Ihnen darüber zu sprechen.«
    [142] Aber die Zeit hätte er sich allenfalls in ihrem Haus nehmen können, denn sie waren angekommen, und sie schüttelte den Kopf, als der Wagen vor der Tür hielt.
    »Ich muss jetzt gehen. Ich bin doch verabredet, ich hatte es Ihnen nur nicht gesagt.«
    »Schon gut – auch wenn es nicht stimmt.«
    Er ging mit ihr zur Tür und blieb da stehen, wo er an jenem anderen Abend gestanden hatte, während sie in der Tasche nach dem Schlüssel kramte.
    »Haben Sie ihn?«
    »Ich habe ihn.«
    Jetzt hätte sie hineingehen müssen, aber sie wollte ihn noch einmal sehen und neigte den Kopf erst nach links, dann nach rechts, um sein Gesicht in den letzten Resten von Dämmerlicht zu erkennen. Sie ließ sich zu lange Zeit damit, und so legte sich seine Hand wie von selbst auf ihren Oberarm und ihre Schulter und zog sie ins Dunkel seiner Halsbeuge. Sie schloss die Augen. Der kantige Schlüssel drückte sich in ihre fest geschlossene Hand. »Oh«, sagte sie in einem verhauchenden Seufzer und noch einmal »Oh«, als er sie fest an sich zog und sein Kinn sanft über ihre Wange streifte. Sie lächelten beide ein wenig, aber zwischen Kathleens Augen stand auch eine schmale Falte, als die Dunkelheit den restlichen Abstand zwischen ihnen tilgte.
    Als sie sich voneinander gelöst hatten, schüttelte sie noch immer den Kopf, aber nicht so sehr verneinend als in tiefem Staunen. So also kommt es über einen, selber schuld, wann hat es angefangen, wann war der Moment? So also kam es, und mit jeder Sekunde wurde die Last des Sichlösenmüssens schwerer, unvorstellbarer. Er triumphierte, [143] sie grollte und konnte doch nicht ihm die Schuld geben, sie weigerte sich, an seinem Triumph teilzuhaben, denn für sie war es eine Niederlage. Und wenn ich die Niederlage nicht hinnehme, überlegte sie, wenn ich mich losreiße und ins Haus gehe, ist es dennoch kein Sieg, sondern bewirkt gar nichts.
    »So hatte ich mir das nicht gedacht«, sagte sie. »Ganz und gar nicht.«
    »Darf ich hereinkommen?«
    »O nein… nein.«
    »Dann setzen wir uns in den Wagen und fahren irgendwohin.«
    Dankbar hielt sie sich an diese Formulierung; unverzüglich wieder aufzubrechen hieß handeln oder klang zumindest danach, war wie die Flucht vom Schauplatz eines Verbrechens. Dann saßen sie im Wagen und fuhren bergab, kühl wehte der Fahrtwind ihnen ins Gesicht, und langsam kam sie wieder zu sich. Jetzt war alles klar. Glasklar.
    »Wir fahren zurück zu deinem Haus am Strand.«
    »Zurück dorthin?«
    »Ja. Zurück zu deinem Haus. Sag nichts. Ich will nur fahren.«
    *
    Ein grauer Himmel empfing sie, als sie wieder zur Küste kamen, und in Santa Monica wurden sie von einem plötzlichen Regenschauer überrascht. Stahr hielt am Straßenrand, zog einen Regenmantel über und schloss das Segeltuchverdeck. »Wir haben ein Dach«, sagte er.
    Der Scheibenwischer tickte behäbig wie eine alte Standuhr. Autos flüchteten verdrießlich von nassen Stränden und [144] fuhren zurück in Richtung Stadt. Ein Stück weiter zog Nebel auf, die Straße verlor sich rechts und links im Nichts,

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