Die Liebe des letzten Tycoon
sofort gemerkt. Aber sie wirkte nicht anders als alle hier. Sie hat es mir erst erzählt, als sie wegging.«
Er sah, dass sie fröstelte, stand auf und legte ihr den Regenmantel um die Schultern. Als er einen Wandschrank aufmachte, fiel ihm ein Stoß von Kissen und Strandmatratzen entgegen. Aus einer Schachtel nahm er Kerzen, verteilte sie im Zimmer und steckte das Kabel des Heizofens in die Steckdose, in der vorher die Glühbirne angeschlossen war.
»Warum hatte Edna Angst vor mir?«, fragte er plötzlich.
»Weil du Produzent bist. Sie – oder eine Bekannte von ihr – hat da irgendeine sehr unerfreuliche Erfahrung gemacht. Außerdem war sie schrecklich dumm, glaube ich.«
»Wie hast du sie denn kennengelernt?«
»Sie kam zu mir, vielleicht hat sie mich für eine gefallene Schwester gehalten. Ich fand sie ganz nett. Weil sie ständig gebettelt hat ›Sag doch Edna zu mir‹, hab ich schließlich Edna zu ihr gesagt, und schon waren wir befreundet.«
Sie stand auf, damit er Kissen auf den Fenstersitz und an den Rahmen legen konnte.
»Da ist nichts zu machen«, sagte sie. »Ich bin eine Schmarotzerin.«
»Das bist du nicht.« Er legte die Arme um sie. »Nur keine Angst. Wärm dich auf.«
Eine Weile blieb es ruhig zwischen ihnen.
»Ich weiß, warum ich dir anfangs gefallen habe«, sagte sie schließlich. »Edna hat es mir erzählt.«
[148] »Was hat sie dir erzählt?«
»Dass ich wie… wie Minna Davis aussehe. Das haben mir schon ein paar Leute gesagt.«
Er lehnte sich leicht zurück und nickte.
»Die Ähnlichkeit ist hier.« Sie legte die Hände an die Wangenknochen und verschob die Haut dort ein wenig. »Hier und hier.«
»Ja«, bestätigte Stahr. »Es war sehr sonderbar. Du siehst so aus wie sie im täglichen Leben – nicht so, wie sie auf der Leinwand wirkte.«
Sie stand auf und wechselte damit das Thema, als mache es ihr Angst.
»Mir ist jetzt warm«, sagte sie und ging zum Schrank. Als sie zurückkam, trug sie ein Schürzchen, das – mit Kristallen gemustert – wie beschneit aussah. Sie sah sich kritisch um.
»Na gut, wir sind gerade erst eingezogen, und es hallt noch etwas…«
Sie machte die Tür zur Veranda auf, holte zwei Korbsessel herein und trocknete sie ab. Er sah ihr zu, fasziniert, aber auch ein wenig in Angst, ihr Körper könne durch irgendeine falsche Bewegung den Bann brechen. Er kannte das von Frauen bei Probeaufnahmen, denen ihre Schönheit von Sekunde zu Sekunde mehr verlorenging, als habe sich eine schöne Statue mit den schlackernden Gelenken einer Papierpuppe in Bewegung gesetzt. Kathleen aber stand fest auf beiden Beinen, die Zerbrechlichkeit täuschte.
»Es hat aufgehört zu regnen«, sagte sie. »An dem Tag, an dem ich hier angekommen bin, hat es geregnet. Ein grausiger Regen, so laut… Als wenn Pferde pissen.«
[149] Er lachte.
»Du wirst schon noch Gefallen daran finden. Besonders wenn du hierbleibst. Wirst du hierbleiben? Kannst du es mir jetzt nicht sagen? Was soll die Geheimniskrämerei?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nicht jetzt. Schade um die Zeit.«
»Dann komm her.«
Sie stellte sich neben ihn, und er legte die Wange an den kühlen Schürzenstoff.
»Du bist müde.« Sie fuhr ihm mit der Hand durchs Haar.
»So nicht.«
»Das habe ich auch nicht gemeint«, sagte sie rasch. »Du wirst dich noch kaputtarbeiten, das habe ich sagen wollen.«
»Spiel nicht die Mutter!«
»Gut. Was dann?«
Sei ein Luder, dachte er. Er sehnte sich nach einem Bruch in seinem Lebensmuster. Sollte er wirklich bald sterben müssen, wie die beiden Ärzte sagten, wollte er eine Weile nicht mehr Stahr sein, sondern der Liebe nachgehen wie Männer, die nichts zu verschenken hatten, junge namenlose Männer, die sich bei Dunkelheit suchend auf der Straße umsehen.
»Du hast mir die Schürze abgenommen«, sagte sie sanft.
»Ja.«
»Was meinst du, ob unten am Strand jemand vorbeikommt? Sollen wir die Kerzen ausblasen?«
»Nein, blas die Kerzen nicht aus.«
Hinterher lächelte sie halb liegend von einem weißen Polster zu ihm hoch.
[150] »Ich komme mir vor wie Venus auf der Muschel«, sagte sie.
»Warum denn das?«
»Schau mich an. Ist das nun Botticelli oder nicht?«
Er lächelte. »Keine Ahnung. Wenn du es sagst…«
Sie gähnte.
»Schön war’s. Und ich mag dich sehr.«
»Du bist sehr gebildet, nicht?«
»Wie kommst du darauf?«
»Durch Kleinigkeiten, die du gesagt hast. Oder vielleicht durch die Art, wie du es gesagt hast.«
Sie überlegte.
»Eher nein. Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher