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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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aus flinken, hellwachen Augen. Was er sah, gefiel ihm: Die versammelten Herren stellten eine Runde dar, in der seemännisch das Beste saß, was die Britannische Nation zu bieten hatte. Unter anderen waren vertreten: William Borough, ein kriegserfahrener, hochdekorierter Kommandant, der die
Lion
befehligte und den Titel eines Vizeadmirals trug, Henry Bellingham, der Schlachtenerprobte, der die
Rainbow
führte, und Thomas Fenner von der
Dreadnought,
der schon als Flaggkapitän unter Drake gedient hatte.
    Drake selbst war ein Mann, dessen außergewöhnliche Fähigkeiten sich kaum in seiner Erscheinung widerspiegelten, denn bei Empfängen, Festen oder feierlichen Anlässen glich er äußerlich seinen vornehmen Landsleuten, die sich – Feind hin oder her – geschmacklich nach der spanischen Mode richteten: Dazu gehörten der obligatorische Knebelbart auf der Oberlippe und der Spitzbart am Kinn, zusammengenommen eine Zier, die durch den darunter getragenen, plissierten und getollten Kragen gut zur Geltung kam. Der Kragen wiederum bildete den oberen Abschluss eines vielknöpfigen, wattierten Wamses, das häufig aus golddurchwirktem Brokat gefertigt war. Abgerundet wurde die Staffage durch eine den Oberschenkel bedeckende Puffhose und eine die Waden eng umschließende Trikothose. Wer auf sich hielt, trug schwarz – und gab sich feierlich, würdevoll und steif.
    Aber genau das tat Drake nicht. Manche Zeitgenossen behaupteten zwar, seine Erfolge seien ihm zu Kopf gestiegen, er umschwänzele ständig die Königin, sei zum Hofschranzen und zum Prahlhans geworden, doch sobald eine Sache ihn fesselte, war er noch immer der alte Drake, der wie kein Zweiter Lebhaftigkeit, Energie und Überzeugungskraft ausstrahlte. »Manch einer von Euch wird die zehn Tage verflucht haben, die der Sturm uns genommen hat, und auch ich hab’s getan«, rief er laut, »aber dann, am Kap Roca vor Lissabon, hab ich ihm auf Knien gedankt!«
    Die Herren blickten fragend drein, was Drake natürlich beabsichtigt hatte.
    »Unser Geschwader umfasst über dreißig Schiffe, da mag es dem einen oder anderen entgangen sein, dass meine
Elizabeth
Bonaventure
vor Lissabon zwei fette Kauffahrer gestellt hat, die bis unters Schanzkleid wertvolle Ware geladen hatten. Es juckte mir in den Fingern, sie auszuweiden, aber es waren Holländer.«
    Diejenigen Herren, die über den Vorfall nicht informiert waren, lachten verständnisvoll. Ein holländisches Schiff durfte selbstverständlich nicht als Prise genommen werden, denn die Niederlande kämpften schon seit langem gegen die spanische Besetzung und wurden in diesem Kampf von der
Lady of the Seas
unterstützt. Wer Spaniens Feind war, war Englands Freund.
    Borough räusperte sich und fragte: »Und warum habt Ihr dem Sturm auf Knien gedankt?«
    »Weil mir ohne ihn die Holländer nicht vor den Bug gelaufen wären. Ihre Handelsgüter waren für mich zwar unantastbar, aber dafür haben sie mich anderweitig mehr als entschädigt.«
    »Wie das?«, fragte Fenner.
    Drake hob sein Glas. »Erst einmal wollen wir auf unsere geliebte Königin trinken. Sie möge lange leben!«
    »Und ebenso lange Jungfrau bleiben«, ergänzte Bellingham, der gern mal einen Scherz machte, in diesem Fall aber strafende Blicke erntete.
    »Cheers!«
Die Herren tranken.
    »Nun zu Eurer Frage, Fenner«, fuhr Drake fort. »Ihr wisst wie wir alle, dass Philipp II ., dieser düstere Dauerbeter, noch in diesem Jahr England überfallen will, um es sich einzuverleiben. Und Ihr wisst natürlich auch, dass wir mit unseren Schiffen nicht ausgelaufen sind, um eine Spazierfahrt zu unternehmen. Philipp ist alles andere als untätig. Wenn er nicht gerade betet, dann kauft oder beschlagnahmt er überall Kriegsschiffe, um seine Streitmacht zu verstärken, nicht nur in Portugal, auch in Genua, Venedig, Neapel, Sizilien und weiß der Henker, wo noch. Außerdem rüstet er für seine Soldaten jede Menge Versorgungsschiffe und Truppentransporter aus. Sein Ziel ist es, die größte Armada der Welt zusammenzustellen und sie gegen uns zu senden. Es kann jederzeit losgehen!«
    Die Herren blickten beeindruckt.
    Drake fuhr fort: »Das alles sind keine Hirngespinste, sondern Tatsachen. Ich habe sie vor kurzem persönlich von Walsingham, dem Staatssekretär und Geheimdienstchef Ihrer Majestät, erfahren, denn ich hatte das Vergnügen, einen Tag mit ihm in Barn Elms, seinem schönen Wohnsitz an der Themse, zu verbringen.«
    »Und was ist nun mit den holländischen Kauffahrern?«,

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