Die Liebe einer Frau
Dachgeschoss aus Holz, die Mansardenfenster mit schmutzigem Schaumgummi zugestopft. Eins der unteren Fenster leuchtete silbrig, von innen mit Aluminiumfolie verkleidet.
Eve war auf der falschen Farm gelandet. An dieses Haus konnte sie sich nicht erinnern. Hier stand keine Mauer um eine Wiese. Schösslinge wuchsen ungehemmt im wuchernden Unkraut.
Der Pick-up stand vor ihr auf dem Weg. Und dahinter sah sie eine kiesbedeckte Freifläche, auf der sie hätten wenden können. Aber sie kam nicht an dem anderen Wagen vorbei. Sie musste auch anhalten. Sie überlegte, ob der Mann seinen Wagen absichtlich so hingestellt hatte, damit sie die Situation erklären musste. Er stieg jetzt gemächlich aus. Ohne sie anzuschauen ließ er den Hund von der Ladefläche, der dort hin- und hergerannt war und voll wütendem Eifer gebellt hatte. Sobald er heruntergesprungen war, bellte er weiter, wich dem Mann aber nicht von der Seite. Der Mann trug eine Mütze, die sein Gesicht verschattete, sodass Eve nichts daraus ablesen konnte. Er stand neben seinem Wagen und sah zu ihnen herüber, machte aber keine Anstalten, näher zu kommen.
Eve öffnete ihren Gurt.
»Steig nicht aus«, sagte Philip. »Bleib im Auto. Dreh um. Fahr weg.«
»Das kann ich nicht«, sagte Eve. »Schon gut. Der Hund ist nur ein Kläffer, der tut mir nichts.«
»Steig nicht aus.«
Sie hätte nicht zulassen dürfen, dass das Spiel so außer Rand und Band geriet. Ein Kind in Philips Alter konnte sich zu sehr hineinsteigern. »Das gehört nicht mehr zum Spiel«, sagte sie. »Das ist bloß ein Mann.«
»Ich weiß«, sagte Philip. »Aber
steig nicht aus
.«
»Hör auf«, sagte Eve und stieg aus und schlug die Tür zu.
»Hallo«, sagte sie. »Tut mir leid. Ich habe mich geirrt. Ich habe das hier mit einer anderen Farm verwechselt.«
Der Mann sagte etwas wie »Ho«.
»Ich war eigentlich auf der Suche nach einer anderen Farm«, sagte Eve. »Einer Farm, wo ich mal als kleines Mädchen gewesen bin. Da stand eine Mauer mit Bildern aus Glasscherben drauf. Eine weißgekalkte Betonmauer, glaube ich. Als ich die Säulen an der Straße sah, dachte ich, hier muss es sein. Sie haben bestimmt gedacht, wir verfolgen Sie. Klingt so unsinnig.«
Sie hörte die Autotür aufgehen. Philip stieg aus und zog Daisy hinter sich her. Eve dachte, er käme, um bei ihr zu sein, und streckte ihm einen Arm entgegen. Aber er ließ Daisy los und machte einen Bogen um Eve und sprach den Mann an. Er hatte sich aus seiner Angst von eben befreit und schien jetzt ruhiger als Eve zu sein.
»Ist Ihr Hund lieb?«, fragte er herausfordernd.
»Der tut dir nichts«, sagte der Mann. »Solange ich hier bin, macht der nichts. Der wird immer ganz wild, weil der ist noch ein Baby. Der ist eigentlich noch ein Baby.«
Er war ein kleiner Mann, nicht größer als Eve. Er hatte Jeans an und eine dieser offenen, bunten Westen, wie sie in Peru oder Guatemala gewebt werden. Goldketten und Medaillons glitzerten auf seiner unbehaarten, braungebrannten und muskulösen Brust. Beim Sprechen warf er den Kopf zurück, und Eve sah, dass sein Gesicht älter war als sein Körper. Einige Schneidezähne fehlten ihm.
»Wir wollten Sie nicht weiter behelligen«, sagte sie. »Philip, ich habe dem Mann gerade erzählt, wir sind diesen Feldweg entlanggefahren und haben eine Farm gesucht, wo ich mal als kleines Kind war, und da waren Bilder aus buntem Glas in eine Mauer eingelassen. Aber ich habe mich geirrt, hier ist es nicht.«
»Wie heißt er?«, fragte Philip.
»Trixie«, sagte der Mann, und sowie der Hund seinen Namen hörte, sprang er an dem Mann hoch und stupste seinen Arm. Der Mann schlug nach dem Hund. »Ich weiß von keinen Bildern. Ich wohne hier nicht. Harold, der muss das wissen.«
»Schon gut«, sagte Eve und nahm Daisy auf den Arm. »Wenn Sie nur ein Stück weiter vor fahren würden, dann kann ich wenden.«
»Ich weiß nichts von Bildern. Aber wenn die im vorderen Teil vom Haus waren, dann hätt ich die nie zu sehn gekriegt, weil Harold, der hat den vorderen Teil vom Haus dichtgemacht.«
»Nein, sie waren draußen«, sagte Eve. »Macht nichts. Das ist viele Jahre her.«
»Ja.Ja. Ja«, sagte der Mann, als fände er langsam Gefallen an der Unterhaltung. »Kommen Sie mit rein und fragen Sie Harold danach. Kennen Sie Harold? Dem gehört das hier. Eigentlich gehört’s Mary, aber Harold hat sie ins Heim gesteckt, also gehört’s jetzt ihm. War nicht seine Schuld, sie musste ins Heim.« Er beugte sich in den Wagen und
Weitere Kostenlose Bücher