Die Liebe einer Frau
fand, die Kinder sollten den Teil von Kanada sehen, in dem Französisch gesprochen wurde.
»Er hat sich gesehnt«, sagte Philip.
Sophie lachte. »Ja. Er hat sich nach uns gesehnt.«
Zwölf Tage, dachte Eve. Zwölf Tage waren von den drei Wochen vergangen. Sie hatte das Haus für einen Monat mieten müssen. Die Wohnung hatte sie ihrem Freund Dev überlassen. Er war ebenfalls ein arbeitsloser Schauspieler und befand sich in solchen echten oder eingebildeten Finanznöten, dass er sich am Telefon mit verstellter Stimme meldete. Sie hatte Dev gern, aber sie konnte nicht zurück und die Wohnung mit ihm teilen.
Sophie sagte, sie wollten mit einem Mietwagen nach Quebec fahren und dann direkt zum Flughafen von Toronto, wo das Auto abgegeben werden konnte.
Kein Wort davon, dass Eve mitkam. Im Mietwagen war nicht genug Platz. Aber hätte sie nicht ihr eigenes Auto nehmen können? In dem vielleicht Philip mitfuhr, damit sie Gesellschaft hatte. Oder Sophie. Ian konnte die Kinder nehmen, wenn er sich so nach ihnen sehnte, und Sophie eine Pause gönnen. Eve und Sophie konnten zusammen fahren, wie früher im Sommer, wenn sie zu einer ihnen beiden unbekannten Stadt unterwegs waren, in der Eve ein Engagement bekommen hatte.
Ach – lächerlich. Eves Auto war neun Jahre alt und längst nicht zuverlässig genug für eine lange Fahrt. Und es war Sophie, nach der sich Ian sehnte – das war Sophies warmem, abgewandtem Gesicht anzumerken. Außerdem war Eve nicht eingeladen worden.
»Aber das ist ja wunderbar«, sagte Eve. »Dass er so gut mit seinem Buch vorangekommen ist.«
»Doch«, sagte Sophie. Sie gab sich immer etwas sorgfältig Distanziertes, wenn sie von Ians Buch redete, und als Eve sie fragte, worüber es war, sagte sie nur: »Stadtgeographie.« Vielleicht entsprach das dem Verhalten akademischer Ehefrauen – Eve hatte nie welche gekannt.
»Jedenfalls hast du dann ein bisschen Zeit für dich allein«, sagte Sophie. »Nach dem ganzen Zirkus. Du wirst herausfinden, ob du wirklich ein Häuschen auf dem Land haben willst. Ein Refugium.«
Eve musste auf etwas anderes zu sprechen kommen, irgendetwas, damit sie nicht mit der Frage herausplatzte, ob Sophie immer noch daran dachte, im nächsten Sommer wiederzukommen.
»Ich hatte mal einen Freund, der eins von den richtigen Refugien aufgesucht hat«, sagte sie. »Er ist Buddhist. Nein, vielleicht ein Hindu. Kein richtiger Inder.« (Bei der Erwähnung von Indern lächelte Sophie in einer Weise, die besagte, dass dies ein weiteres Thema war, das nicht vertieft zu werden brauchte.) »Jedenfalls durfte man in diesem Refugium drei Monate lang nicht sprechen. Man war ständig von anderen Menschen umgeben, aber man durfte nicht mit ihnen sprechen. Und er erzählte, eins der Dinge, die oft passierten und vor denen sie gewarnt wurden, war, dass man sich in einen dieser Menschen, mit denen man nie ein Wort wechselte, verliebte. Man hatte das Gefühl, in ganz besonderer Weise mit ihnen zu kommunizieren, wenn man nicht reden durfte. Natürlich war es eine Art geistiger Liebe, denn man konnte nichts tun. In der Hinsicht waren sie sehr strikt. Sagte er jedenfalls.«
Sophie fragte: »Und? Was ist passiert, als sie schließlich reden durften?«
»Es war eine Riesenenttäuschung. Meistens hatte die Person, mit der du zu kommunizieren gemeint hattest, gar nicht mit dir kommuniziert. Vielleicht hatte die gemeint, mit ganz jemand anders zu kommunizieren, und der wiederum meinte –«
Sophie lachte vor Erleichterung. Sie sagte: »So kann’s gehen.« Froh, dass Eve offenbar nicht schmollte, es ihr nicht übel nahm.
Vielleicht hatten sie Streit, dachte Eve. Dieser ganze Besuch konnte Taktik gewesen sein. Sophie konnte mit den Kindern weggefahren sein, um ihm etwas zu zeigen. Sich mit ihrer Mutter verabredet haben, nur um ihm etwas zu zeigen. Künftige Ferien ohne ihn planen, um sich zu beweisen, dass sie zurechtkam. Ein Ablenkungsmanöver.
Und die brennende Frage war: Wer hatte wen angerufen?
»Warum lässt du die Kinder nicht hier?«, sagte sie. »Nur, während du zum Flughafen fährst? Dann kommt ihr zurück und holt sie ab und fahrt los. Du hättest ein bisschen Zeit für dich allein und ein bisschen Zeit allein mit Ian. Das ist doch nervig mit den Kindern auf dem Flughafen.«
Sophie sagte: »Klingt verlockend.«
Also machten sie es schließlich so.
Jetzt musste Eve sich fragen, ob sie selbst die kleine Änderung eingefädelt hatte, nur um mit Philip reden zu können.
(War das nicht
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