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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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übergangslos, von seiner Frau. Sie sei nicht nur seine begeisterte Mitarbeiterin, sondern auch die Seele seiner Unternehmungen. Er sagte: »Ohne sie wäre ich nichts.« Florentino Ariza hörte ihm ruhig zu, bestätigte alles mit einem leichten Kopfnicken und wagte nicht, etwas zu sagen, so sehr fürchtete er, seine Stimme könne ihn verraten. Nach zwei oder drei weiteren Sätzen von Doktor Urbino begriff er jedoch, daß diesem neben so vielen anstrengenden Verpflichtungen noch genug Zeit blieb, seine Frau fast ebensosehr anzubeten wie er selbst, und diese Erkenntnis verstörte ihn. Doch er konnte nicht so reagieren, wie er es gern gewollt hätte, denn sein Herz spielte ihm einen jener üblen Streiche, die sich nur das Herz einfallen lassen kann. Es offenbarte ihm, daß er und jener Mann, in dem er immer seinen persönlichen Feind gesehen hatte, Opfer ein und desselben Schicksals waren und sich das Los einer gemeinsamen Leidenschaft teilten: zwei Ochsen, die in das gleiche Joch gespannt waren. Zum ersten Mal in den endlosen siebenundzwanzig Jahren, die er nun schon wartete, gab es Florentino Ariza unwillkürlich einen schmerzlichen Stich, daß dieser bewunderungswürdige Mensch sterben mußte, damit er glücklich sein konnte. Der Zyklon zog vorüber, doch seine steifen Nordostwinde würfelten innerhalb von fünfzehn Minuten die an den Sümpfen gelegenen Viertel durcheinander und verursachten in der halben Stadt Schäden. Doktor Juvenal Urbino, wieder einmal zufrieden mit der Großzügigkeit des Onkels Leon XII., wartete nicht das Ende des Unwetters ab und nahm in seiner Zerstreutheit Florentino Arizas Regenschirm mit, den dieser ihm geliehen hatte, um bis zur Kutsche zu kommen. Den störte das nicht. Im Gegenteil, es machte ihm Spaß, sich auszumalen, was Fermina Daza denken würde, wenn sie erführe, wer der Besitzer des Regenschirms war. Er war noch mitgenommen von der Erschütterung dieser Begegnung, als Leona Cassiani in sein Büro kam, und so erschien es ihm eine einzigartige Gelegenheit, ihr das Geheimnis ohne langes Hin und Her zu entdecken, also das Furunkel aufplatzen zu lassen, das ihn nicht leben ließ: jetzt oder nie. Zunächst fragte er sie, was sie von Doktor Juvenal Urbino halte. Sie antwortete ihm, ohne weiter zu überlegen: »Ein Mann, der viel bewegt, vielleicht zu viel, aber ich glaube, keiner weiß so recht, was er denkt.« Dann überlegte sie, während sie mit ihren scharfen großen Zähnen einer großen Schwarzen an dem Radiergummistöpsel ihres Bleistiftes nagte, und zuckte schließlich mit den Achseln, um eine Angelegenheit abzuschließen, die sie nicht weiter berührte.
    »Vielleicht unternimmt er so viel, um nicht denken zu müssen«, sagte sie.
    Florentino Ariza versuchte, sie beim Thema zu halten. »Mich schmerzt, daß er sterben muß.« »Jedermann muß sterben«, sagte sie.
    »Ja«, sagte er, »aber dieser mehr als jedermann.« Sie begriff nichts, sie zuckte wieder mit den Achseln, wortlos, und ging. Da wußte Florentino Ariza, daß er in einer noch Ungewissen Nacht der Zukunft, mit Fermina Daza auf einem glücklichen Lager vereint, ihr erzählen würde, daß er das Geheimnis seiner Liebe nicht einmal dem einzigen Menschen entdeckt habe, der sich das Recht erworben hätte, es zu kennen. Nein: Er würde es niemals preisgeben, auch nicht Leona Cassiani, nicht weil er den Schrein für sie nicht öffnen wollte, in dem er das Geheimnis ein halbes Leben lang so gut verwahrt hatte, sondern weil er nun merkte, daß er den Schlüssel dazu verloren hatte.
    Nicht diese Erkenntnis bewegte ihn jedoch an jenem Nachmittag am stärksten. Die Sehnsucht nach seinen jungen Jahren ergriff ihn, die lebhafte Erinnerung an die Blumenspiele, die an jedem 15. April im ganzen Antillenraum ihren Widerhall fanden. Stets hatte er zu den Teilnehmern gehört, doch immer, wie auch sonst bei fast allem, heimlich. Er hatte sich seit dem Eröffnungswettbewerb vor vierundzwanzig Jahren immer wieder mit Texten beteiligt, war aber bei der Ehrung nie auch nur erwähnt worden. Aber das machte ihm nichts aus, weil er nicht aus Ehrgeiz, einen Preis zu gewinnen, teilnahm, sondern weil dieser Wettstreit für ihn einen zusätzlichen Reiz bot: Bei der ersten Veranstaltung hatte Fermina Daza die Aufgabe gehabt, die versiegelten Briefe zu öffnen und die Namen der Sieger bekanntzugeben, und seitdem stand fest, daß sie es auch in den folgenden Jahren tun würde.
    Im Dämmerlicht der Sperrsitzreihen versteckt, mit einer lebendigen

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