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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Monolog versöhnt, in dem sie all die gerechtfertigten Vorwürfe los wurde, die sie bis dahin heruntergeschluckt hatte. Dann erzählte sie ihm Näheres über die Fahrt und verabschiedete sich bis auf bald. Sie wollte niemandem sonst von ihrem Aufbruch erzählen, so wie sie es, um das anstrengende Abschiednehmen zu umgehen, auch meistens vor ihren Europareisen gehalten hatte. Trotz ihrer vielen Reisen war ihr, als sei diese die erste, und während der Tag verging, vertiefte sich ihr Unbehagen. Schließlich an Bord, fühlte sie sich verlassen und traurig und wäre am liebsten allein gewesen, um weinen zu können. Als das letzte Signal ertönte, verabschiedeten sich Doktor Urbino Daza und seine Frau ohne viel Aufhebens von ihr, und Florentino Ariza begleitete die beiden bis zur Landungsbrücke. Doktor Urbino Daza wollte ihm hinter seiner Frau den Vortritt lassen, und erst da wurde klar, daß Florentino Ariza mit auf die Reise ging. Doktor Urbino Daza konnte seine Verwirrung nicht verbergen. »Davon war aber doch nie die Rede«, sagte er. Florentino Ariza zog ostentativ seinen Kabinenschlüssel aus der Tasche: eine gewöhnliche Kabine auf dem Mitteldeck. Doch das genügte Doktor Urbino Daza nicht als Unschuldsbeweis. In seiner Bestürzung suchte er nach einem Halt und sah seine Frau mit dem Blick eines Schiffbrüchigen an, begegnete aber nur zwei eisigen Augen. Leise, aber streng sagte sie: »Auch du?« Ja: Wie seine Schwester Ofelia meinte auch er, daß es ein Alter gibt, in dem Liebe anstößig wird. Doch er fing sich noch beizeiten und verabschiedete sich von Florentino Ariza mit einem eher resignierten als dankbaren Händedruck.
    Florentino Ariza stand an der Reling vor dem Salon und sah sie von Bord gehen. Wie er es erwartet und gewünscht hatte, drehten sich Doktor Urbino Daza und seine Frau noch einmal nach ihm um, bevor sie in das Automobil stiegen, und er winkte ihnen zum Abschied. Beide winkten zurück. Er blieb an der Reling stehen, bis der Wagen in einer Staubwolke vom Kai verschwunden war, und ging dann in seine Kabine, um sich etwas Passendes für das erste Essen an Bord in der Kapitänsmesse anzuziehen.
    Es wurde ein herrlicher Abend, den Kapitän Diego Samaritano mit saftigen Geschichten aus vierzig Jahren Flußfahrt zu würzen wußte, aber Fermina Daza mußte sich große Mühe geben, amüsiert zu wirken. Obgleich das letzte Abfahrtssignal um acht Uhr ertönt war und man dann die Gäste von Bord geschickt und die Landungsbrücke eingeholt hatte, legte das Schiff erst ab, als der Kapitän fertig zu Abend gegessen hatte und das Manöver von der Kommandobrücke aus leiten konnte. Fermina Daza und Florentino Ariza blieben auf dem Promenadendeck zwischen den lärmenden Passagieren stehen, die sich dem Spielchen hingaben, die Lichter der Stadt zu identifizieren, bis das Schiff aus der Bucht ausgelaufen war, in unsichtbaren Fahrrinnen durch die von den schwimmenden Lichtern der Fischerboote gesprenkelten Lagunen steuerte und schließlich in der freien Luft des Rio Grande de la Magdalena aus voller Lunge schnaubte. Da setzte die Kapelle mit einem volkstümlichen Schlager ein, es gab ein Aufjauchzen unter den Passagieren, und der Tanz wurde turbulent eröffnet.
    Fermina Daza zog es vor, in ihre Kabine zu gehen. Sie hatte den ganzen Abend über kein Wort gesagt, und Florentino Ariza überließ sie rücksichtsvoll ihren Grübeleien. Erst vor der Kabine machte er sich bemerkbar, er wollte sich verabschieden, sie aber war nicht müde, nur etwas fröstelig und schlug vor, sich noch ein wenig zusammen in ihren privaten Ausguck zu setzen, um den Fluß zu betrachten. Florentino Ariza rückte zwei Korbsessel bis an die Balustrade, löschte die Lichter, legte ihr einen Wollschal um die Schultern und setzte sich neben sie. Sie drehte sich eine Zigarette aus der Tabakschachtel, die er ihr geschenkt hatte, drehte sie mit erstaunlicher Geschicklichkeit, rauchte sie langsam mit der Glut im Mund, sprach nicht, drehte dann noch zwei Zigaretten und rauchte ohne Unterbrechung. Florentino Ariza trank Schluck für Schluck zwei Thermoskannen mit schwarzem Kaffee leer.
    Der Widerschein der Stadt war hinter dem Horizont verschwunden. Von ihrem dunklen Ausguck aus verwandelte sich der stille, glatte Fluß mit den Wiesen an beiden Ufern unter dem Vollmond zu einer einzigen phosphoreszierenden Ebene. Ab und zu war eine Strohhütte neben großen Feuern zu sehen, die anzeigten, daß es dort Brennholz für die Schiffskessel zu kaufen gab.

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