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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Fermina Daza auf und setzte sich auf den anderen Stuhl. Florentino Ariza, eine weiße Kamelie im Knopfloch des Gehrocks, überquerte daraufhin die Straße und stellte sich vor sie hin. Er sagte: »Dies ist die Gelegenheit meines Lebens.« Fermina Daza blickte nicht zu ihm auf, sondern sah sich forschend um, sah die leeren Straßen in der schläfrigen Dürre und einen Wirbel toter Blätter im Wind.
    »Geben Sie ihn mir«, sagte sie.
    Florentino Ariza hatte vorgehabt, ihr die siebzig Briefbogen zu bringen, die er vom vielen Durchlesen schon auswendig aufsagen konnte, entschied sich dann jedoch für ein einseitig beschriebenes Billett, das nüchtern und klar sein sollte und in dem er nur das Wesentliche versprach: seine unbedingte Treue und seine ewige Liebe. Er holte den Brief aus der Innentasche seines Gehrocks und hielt ihn der verstörten Stickerin, die noch nicht gewagt hatte, ihn anzuschauen, vors Gesicht. Sie sah den blauen Umschlag, der in einer von Angst verkrampften Hand zitterte, und hob, um das Beben auch ihrer Hände vor ihm zu verbergen, den Stickrahmen, damit er den Brief darauflege. Da geschah es: Ein Vogel schüttelte sich im Laub der Mandelbäume, und sein Dreck fiel genau auf die Stickerei. Fermina Daza zog den Stickrahmen weg und versteckte ihn hinter dem Stuhl, denn Florentino Ariza sollte nicht merken, was passiert war, und sah ihn dann mit flammendem Gesicht zum ersten Mal an. Den Brief in der Hand, sagte dieser ungerührt: »Das bringt Glück.« Sie dankte es ihm mit ihrem ersten Lächeln, riß ihm beinahe den Brief weg, faltete ihn und verbarg ihn im Mieder. Er reichte ihr die Kamelie, die er im Knopfloch getragen hatte. Sie wies sie zurück: »Das ist eine Verlobungsblume.« Gleich darauf, im Bewußtsein, ihre Zeit aufgebraucht zu haben, flüchtete sie sich wieder in ihre Unnahbarkeit. »Gehen Sie jetzt«, sagte sie, »und kommen Sie erst wieder, wenn ich Ihnen Bescheid gebe.«
    Als Florentino Ariza sie zum ersten Mal gesehen, seiner Mutter aber noch nichts davon erzählt hatte, merkte diese ihm dennoch sofort etwas an, er hatte nämlich die Sprache und den Appetit verloren und wälzte sich nachts schlaflos im Bett. Jetzt, da er die Antwort auf seinen ersten Brief erwartete, steigerte sich seine Unruhe zu galligem Erbrechen und Durchfall, er verlor den Orientierungssinn und wurde von plötzlichen Ohnmachtsanfällen heimgesucht, was seine Mutter in Schrecken versetzte, da sein Zustand nicht an die Verwirrungen der Liebe, sondern an die Verheerungen der Cholera erinnerte. Florentinos Pate, ein greiser Homöopath, der seit den Zeiten von Tránsite Arizas heimlicher Liebschaft ihr Vertrauter war, geriet zunächst ebenfalls in Unruhe über den Zustand des Kranken, denn dessen Puls war schwach, der Atem ging rasselnd, und der bleiche Schweiß eines Sterbenden lag auf seiner Haut. Bei der Untersuchung stellte er jedoch fest, daß Florentino Ariza weder Fieber noch Schmerzen an irgendeiner bestimmten Stelle hatte. Das einzige, was er deutlich spürte, war das dringende Bedürfnis zu sterben. Ein listiges Verhör, erst des Kranken, dann der Mutter, genügte dem Homöopathen, um wieder einmal festzustellen, daß die Symptome der Liebe denen der Cholera gleichen. Er verschrieb Lindenblütentee, um die Nerven abzulenken, und schlug eine Luftveränderung vor, damit Florentino Ariza in der Ferne Trost fände, doch der ersehnte genau das Gegenteil: Er wollte sein Martyrium genießen. Tránsite Ariza war eine freie Quarteronin, mit einem Instinkt für das Glück, der in der Armut verkümmerte, und sie genoß die Leiden des Sohnes, als wären es die eigenen. Sie gab ihm den Tee zu trinken, wenn sie ihn phantasieren hörte, und wickelte ihn in Wolldecken ein, um den Schüttelfrost zu überlisten, zugleich machte sie ihm jedoch Mut, sein Leid auszukosten. »Nutze es, solange du jung bist, und leide, soviel du kannst«, riet sie ihm, »denn diese Dinge dauern nicht ein Leben lang.«
    Im Postamt waren sie verständlicherweise nicht der gleichen Ansicht. Florentino Ariza verfiel in Trägheit und war so zerstreut, daß er die Flaggen, mit denen er die Ankunft der Post ankündigte, verwechselte, hißte an einem Mittwoch die deutsche Flagge, als ein Schiff der Leyland Company mit Post aus Liverpool eingelaufen war, und an irgendeinem anderen Tag hißte er die der Vereinigten Staaten, obgleich das eingetroffene Schiff der Compagnie Generale Transatlantique die Post aus Saint-Nazaire brachte. Diese Irrtümer aus Liebe

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