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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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fliegenden Händler, die ihr einen Trank für die ewige Liebe aufdrängen wollten, noch auf das Flehen der Bettler, die mit ihren dampfenden Schwären in den Hauseingängen lagen, noch auf den falschen Indio, der ihr einen dressierten Kaiman aufzuschwatzen suchte. Sie hatte kein festes Ziel und ließ sich Zeit bei einem langen und gründlichen Rundgang mit Unterbrechungen, deren einziger Grund war, sich mit Muße am Wesen der Dinge zu erfreuen. Sie trat in jedes Portal, wo es etwas zu kaufen gab, und fand überall etwas, das ihre Lust am Leben verstärkte. Sie genoß den Vetiverduft der Stoffe in den Truhen, hüllte sich in bedruckte Seide, lachte über ihr eigenes Lachen, als sie sich mit einem Haarkamm und einem mit Blumen bemalten Fächer als Spanierin im Ganzspiegel von El Alambre de Oro sah. Im Geschäft für Überseewaren hob sie den Deckel von einem Faß Salzheringen, die sie an die Nächte des Nordostens erinnerten, als sie, ein kleines Mädchen noch, in San Juan de la Ciénaga lebte. Man ließ sie Blutwurst aus Alicante probieren, die ein wenig nach Süßholz schmeckte, und sie kaufte zwei für das Frühstück am Samstag und außerdem noch ein paar Stockfische und ein Glas Himbeeren in Branntwein. Im Gewürzladen zerrieb sie Origano- und Salbeiblätter zwischen den Handflächen, nur so, aus Lust am Riechen, und kaufte eine Handvoll Gewürznelken, eine Handvoll Sternenanis, dann noch Ingwer und Wacholder, und als sie wieder herauskam, lachte sie Tränen, weil sie wegen der Schwaden von Cayennepfeffer so oft hatte niesen müssen. Während sie Reuter-Seife und Benzolwasser in der französischen Drogerie einkaufte, tupfte man ihr ein wenig Pariser Modeparfum hinters Ohr und gab ihr eine Lutschtablette gegen Zigarettengeruch.
    Sie spielte einkaufen, gewiß, doch was sie wirklich brauchte, kaufte sie, ohne lang zu überlegen, mit einer Bestimmtheit, die niemanden auf den Gedanken kommen ließ, daß sie es zum ersten Mal tat, machte sie es doch in dem Bewußtsein, nicht nur für sich, sondern auch für ihn einzukaufen, zwölf Ellen Leinen für die Tischdecken ihres gemeinsamen Tisches, Baumwolle für die Hochzeitslaken, die in der Kühle des Morgengrauens die Erinnerungen der Nacht aufsaugen sollten, von allem nur das Erlesenste, um es gemeinsam im Haus der Liebe zu genießen. Sie wußte, wie man um den Preis handelte, argumentierte mit Charme und Würde, bis sie das Beste bekam, und zahlte dann mit Goldstücken, die die Kaufleute aus Freude am Klang prüfend auf dem Marmor des Ladentisches klimpern ließen.
    Florentino Ariza spionierte ihr verzückt nach, folgte ihr atemlos, stieß mehrmals an die Körbe der Magd, die seine Entschuldigungen mit einem Lächeln beantwortete. Fermina Daza war so nah an ihm vorbeigegangen, daß ihn die Brise ihres Duftes streifte, sie hatte ihn jedoch nicht gesehen, nicht weil sie es nicht gekonnt hätte, sondern weil sie so hoheitsvoll einherschritt. Sie erschien ihm so schön, so verführerisch, so anders als die gewöhnlichen Menschen, daß er nicht begriff, warum niemand wie er selbst vom Kastagnettenklang ihrer Absätze auf dem Pflaster verrückt wurde, warum niemand das Herz durchging im Seufzerwind ihrer Volants, warum nicht die ganze Welt toll wurde vor Liebe beim Wippen ihres Zopfes, dem Flug ihrer Hände, dem Gold ihres Lachens. Ihm war keine ihrer Gesten entgangen, kein Hinweis auf ihre Wesensart, doch er wagte nicht, sich ihr zu nähern, aus Furcht, den Zauber zu zerstören. Als sie sich aber in das Menschengewühl am Portal de los Escribanos begab, wurde ihm klar, daß er im Begriff war, die Gelegenheit zu verscherzen, die er seit Jahren herbeigesehnt hatte. Fermina Daza teilte mit ihren Schulkameradinnen die merkwürdige Ansicht, das Portal de los Escribanos sei ein Ort der Verderbnis und für anständige Mädchen selbstverständlich verboten. Es war eine Arkadengalerie an einem kleinen Platz, wo die Droschken und die von Eseln gezogenen Lastkarren warteten und das Marktgetümmel noch dichter und lauter wurde. Der Name stammte aus der Kolonialzeit, denn schon damals saßen dort die mürrischen Schönschreiber mit ihren Tuchjacken und Ärmelschonern und verfaßten auf Bestellung Schriftstücke aller Art zu Armeleutepreisen: Anklage- oder Bittschriften, gerichtliche Legate, Gratulations- oder Beileidskarten und Billetts für jede Phase der Liebe. Nicht die Schreiber freilich waren schuld am schlechten Ruf dieses lärmenden Marktes, sondern die neu hinzugekommenen

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