Die Liebe in den Zeiten der Cholera
Gefühlslage verfassen, die er ihm im ersten Brief zugeschrieben hatte, und war so schließlich in einen fiebrigen Briefwechsel mit sich selbst verstrickt. Es war noch kein Monat vergangen, da kamen beide getrennt zu ihm, um ihm für das zu danken, was er selbst im Brief des jungen Mannes vorgeschlagen hatte und worauf er dann in der Antwort des Mädchens hingebungsvoll eingegangen war: Sie wollten heiraten.
Als sie ihren ersten Sohn bekommen hatten, stellte sich zufällig bei einem Gespräch heraus, daß ihre Briefe vom selben Schreiber verfaßt worden waren, und so kamen sie zum ersten Mal gemeinsam ans Portal, um Florentino Ariza zum Paten des Kindes zu berufen. Dieser war derart begeistert von den sichtbaren Folgen seiner Träumereien, daß er sich selbst die kaum vorhandene Zeit stahl, um einen Sekretär der Liebenden zu schreiben, der poetischer und ausführlicher angelegt war als jener Briefsteller, den man für zwanzig Centavos an den Portalen kaufen konnte und den die halbe Stadt auswendig kannte. Er ordnete alle denkbaren Situationen, in denen er und Fermina Daza sich hätten begegnen können, und entwarf für jede einzelne Station des Briefwechsels so viele Muster, wie Alternativen möglich waren. Am Ende hatte er etwa tausend Briefe in drei Bänden gesammelt, Klötze wie das Lexikon von Covarrubias, aber kein Drucker der Stadt ging das Wagnis ein, sie zu veröffentlichen, und so endeten sie zusammen mit anderen Papieren aus der Vergangenheit irgendwo auf dem Speicher des Hauses, da Tránsite Ariza es rundweg ablehnte, ihre Schätze in den Tonkrügen zu heben, um die Ersparnisse eines ganzen Lebens für eine verlegerische Wahnsinnstat aufs Spiel zu setzen. Jahre später, als Florentino Ariza selbst über die Mittel verfügte, das Buch zu veröffentlichen, mußte er sich die schmerzliche Tatsache eingestehen, daß Liebesbriefe aus der Mode gekommen waren. Während er die ersten Gehversuche in der Karibischen Flußschiffahrtskompanie machte und am Portal de los Escribanos unentgeltlich Briefe verfaßte, gewannen Florentino Arizas Jugendfreunde die Gewißheit, ihn nach und nach unwiederbringlich zu verlieren. Und so war es. Noch nach seiner Rückkehr von der Reise auf dem Fluß hatte er sich mit einigen von ihnen in der Hoffnung getroffen, damit die Erinnerung an Fermina Daza abzuschwächen, damals spielte er mit ihnen Billard, ging zu seinen letzten Tanzereien, gab sich dafür her, unter den Mädchen ausgelost zu werden, gab sich für alles her, was ihm geeignet schien, aus sich wieder den zu machen, der er gewesen war. Später, als Onkel Leon XII. ihn endgültig angestellt hatte, spielte er im Club de Comercio mit seinen Kollegen aus dem Kontor Domino. Diese begannen ihn als einen der ihren anzusehen, als er von nichts anderem mehr als der Reederei sprach, die er nicht mit ihrem vollen Namen, sondern mit den Initialen bezeichnete: Die K. F. K. Er änderte sogar seine Eßgewohnheiten. Statt sich wie bisher gleichgültig und unregelmäßig zu Tisch zu setzen, aß er nun bis zum Ende seiner Tage bescheiden und gleichförmig: eine große Tasse schwarzen Kaffees zum Frühstück, eine Portion gekochten Fisch mit weißem Reis zum Mittagessen und vor dem Zubettgehen eine Tasse Milchkaffee und ein Stück Käse. Schwarzen Kaffee trank er zu jeder Tageszeit, wo und wie auch immer, bis zu dreißig Täßchen täglich von einem an Rohöl erinnernden Aufguß, den er sich am liebsten selbst zubereitete und stets in einer Thermosflasche in greifbarer Nähe hatte. Er war ein anderer geworden, trotz seines festen Vorsatzes und seiner inständigen Bemühungen, derselbe zu bleiben, der er vor dem tödlichen Zusammenstoß mit der Liebe gewesen war. Tatsache war, daß er es nie wieder werden sollte. Die Rückeroberung von Fermina Daza war das einzige Ziel seines Lebens, und er war so sicher, es früher oder später zu erreichen, daß er Tránsito Ariza dazu überredete, die Renovierung des Hauses fortzusetzen, damit es im Augenblick des Wunders, das jederzeit eintreten konnte, zu Fermina Dazas Empfang bereit wäre. Im Unterschied zur Reaktion auf sein verlegerisches Vorhaben mit dem Sekretär der Liebenden ging Tránsito Ariza nun auf ihn ein und noch viel weiter: Sie kaufte das Haus in bar und begann mit der vollständigen Renovierung. Sie machten aus dem ehemaligen Schlafraum ein Empfangszimmer, bauten im ersten Stock ein Schlafzimmer für die Eheleute und eines für die Kinder, die sie bekommen würden, zwei großzügig
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