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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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seines Gastes und erzählte ihm ausführlich die Geschichte jedes einzelnen Gegenstandes. Dabei trank er nur schlückchenweise, doch unablässig seinen Schnaps. Er schien aus Beton zu sein: riesig, der ganze Körper war mit Ausnahme des Kopfes behaart, er hatte einen breitquastigen Schnurrbart und eine Stimme wie eine Ankerwinde, die nur ihm gehören konnte, und war von ausgesuchter Höflichkeit. Kein Organismus hätte jedoch seinen Trinkgewohnheiten standhalten können. Er hatte die halbe Korbflasche geleert, als er sich zu Tisch setzen wollte und dabei unter einem verzögerten Klirren der Zerstörung auf das Tablett mit den Gläsern und Flaschen schlug. Ausencia Santander mußte Florentino Arizas Hilfe erbitten, um diesen erschlafften Körper eines gestrandeten Wals ins Bett zu schleifen und den Schlafenden zu entkleiden. Erleuchtet von einem Blitz der Inspiration, für den sie der Konjunktion ihrer Gestirne dankten, zogen sich dann beide, ohne sich vorher abgesprochen zu haben, im Nebenzimmer aus, und von da an immer wieder, mehr als sieben Jahre lang, wenn der Kapitän auf Fahrt war. Überraschungen drohten nicht, denn als guter Schiffer hatte der Kapitän die Angewohnheit, sogar im Morgengrauen seine Ankunft im Hafen mit der Schiffssirene anzukündigen, erst drei lange Töne für die Ehefrau und die neun Kinder, dann zwei stockende und melancholische für die Geliebte.
    Ausencia Santander war fast fünfzig Jahre alt, und es war ihr auch anzusehen, aber ihr Instinkt für die Liebe war so ausgeprägt, daß keine technischen Anweisungen oder wissenschaftlichen Theorien ihn hätten verbilden können. Florentino Ariza wußte vom Schiffsfahrplan, wann er sie besuchen durfte, und kam, wann immer er Lust hatte, stets ohne Anmeldung, zu jeder Tages- oder Nachtzeit, und wurde kein einziges Mal nicht von ihr erwartet. Sie öffnete ihm die Tür, so wie ihre Mutter sie bis zum siebten Lebensjahr aufgezogen hatte: vollständig nackt, aber mit einem Organdyband im Haar. Sie ließ ihn keinen Schritt weitergehen, bevor sie ihm nicht die Kleider ausgezogen hatte, weil sie seit jeher der Meinung gewesen war, daß es Unglück bringe, einen angekleideten Mann im Haus zu haben. Dies war ein ständiger Streitpunkt zwischen ihr und Kapitän Rosendo de la Rosa, denn dieser hing dem Aberglauben an, nackt zu rauchen bringe Unglück, so daß er zuweilen lieber die Liebe verschob, als daß er seine unvermeidliche kubanische Zigarre ausmachte. Florentino Ariza hingegen war durchaus aufgeschlossen für die Reize der Nacktheit, und Ausencia Santander nahm ihm, kaum hatte er die Tür hinter sich zugezogen, die Kleider ab und ließ ihm erst gar nicht Zeit, sie zu begrüßen oder Hut und Brille abzulegen. Sie küßte ihn und ließ sich küssen: rhythmische Küßchen. Sie knöpfte ihn von unten nach oben auf, zuerst die Knöpfe vom Hosenschlitz, einen nach dem anderen, Kuß für Kuß, dann die Gürtelschnalle und zuletzt die Weste und das Hemd, bis sie ihn wie einen bei lebendigem Leibe aufgeschlitzten Fisch vor sich hatte. Dann setzte sie ihn in den Salon, zog ihm die Stiefel aus, zog an den Beinen der Hose, um sie ihm zusammen mit der knöchellangen Unterhose auszuziehen, und löste zuletzt die Gummistrumpfbänder an den Waden, um ihm die Socken abzustreifen. Florentino Ariza hörte dann auf, sie zu küssen und sich küssen zu lassen, um das einzige zu tun, was ihm bei dieser regelmäßigen Zeremonie oblag: Er löste die Kette der Taschenuhr aus dem Westenknopfloch, legte die Brille ab und steckte beides in seine Stiefel, um sicherzugehen, daß er es später nicht vergaß. Diese Vorsichtsmaßnahme traf er immer ganz gewissenhaft, wenn er sich in einem fremden Haus entkleidete.
    Kaum war er damit fertig, fiel sie auch schon, ohne ihm für irgend etwas Zeit zu lassen, über ihn her, meistens noch auf dem Sofa, wo sie ihn gerade entkleidet hatte, und nur selten im Bett. Sie schlüpfte unter ihn und nahm sich den ganzen Mann für sich alleine, auf sich selbst zurückgeworfen tastete sie sich mit geschlossenen Augen durch ihre absolute innere Dunkelheit, rückte vor, wich zurück, korrigierte ihren unsichtbaren Kurs auf der Suche nach einer noch intensiveren Passage, nach einer anderen Weise, den schleimigen Salzsee, der aus ihrem Leib floß, ohne Schiffbruch zu befahren, sie fragte und gab sich, wie eine Hornisse surrend, in ihrem heimatlichen Dialekt die Antwort, wo in der Finsternis dieses Etwas denn sei, das nur sie kenne und nur für sich

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