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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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oder er führte sie dorthin, wo es gerade ging oder auch nicht ging, denn bei nicht wenigen Gelegenheiten mußte er sich hastig in einen dunklen Hauseingang verdrücken, um hinter dem Tor irgendwie das, was noch möglich war, zu erledigen. Der Leuchtturm war ihm stets als Refugium lieb gewesen, und er dachte noch sehnsüchtig daran, als er nach Einbruch des Alters schon alles hinter sich hatte, denn es war ein Ort, wo man gut glücklich sein konnte, besonders nachts, und er meinte, mit jedem Kreisen des Leuchtfeuers sei etwas von seinen damaligen Liebschaften zu den Seefahrern gedrungen. Also erschien er immer wieder dort, häufiger als an jedem anderen Platz, und sein Freund, der Leuchtturmwärter, empfing ihn entzückt mit dem Gesicht eines Trottels, was für die verschreckten Vögelchen das beste Unterpfand für Diskretion war. Unterhalb des Leuchtturms lag, dem Donnern der Brandung nah, die gegen die Klippen schlug, ein Haus, in dem die Liebe an Leidenschaft gewann, da sie dort etwas von einem Schiffbruch hatte. Doch nach Einbruch der Nacht zog Florentino Ariza den Leuchtturm vor, denn von dort aus war die ganze Stadt und der Lichterschwarm der Fischer auf dem Meer und sogar auf den fernen Lagunen zu sehen. Aus jener Epoche stammten seine eher schlichten Theorien über den Zusammenhang zwischen dem Körperbau einer Frau und ihrer Liebesfähigkeit. Er mißtraute dem sinnlichen Typus, jenen Frauen, die aussahen, als könnten sie einen Kaiman roh verschlingen, dann aber im Bett besonders passiv zu sein pflegten. Er zog den entgegengesetzten Typ vor: Diese mageren Fröschchen, denen auf der Straße nachzuschauen sich niemand Mühe machte, von denen nichts übrigzubleiben schien, wenn sie sich auszogen, die wegen des Knackens ihrer Knöchelchen beim ersten Stoß Mitleid erweckten und die dennoch den großmäuligsten Rammler derart zurichten konnten, daß er reif für die Mülltonne war. Er hatte sich Notizen über diese voreiligen Beobachtungen gemacht, hatte er doch die Absicht, einen praktischen Ergänzungsband zum Sekretär der Liebenden zu schreiben, doch dieses Projekt erlitt das gleiche Schicksal wie das vorangegangene, nachdem Ausencia Santander ihn mit der Weisheit einer alten Hündin gebeutelt und umgedreht, auf den Kopf gestellt, durchgezogen und untergemangelt hatte, ihn neu geboren, aus seinen theoretischen Virtuosenstückchen Kleinholz gemacht und ihm das einzige beigebracht hatte, was man für die Liebe lernen muß: daß man dem Leben nichts beibringen kann. Ausencia Santander hatte zwanzig Jahre lang eine konventionelle Ehe geführt, von der ihr drei Kinder geblieben waren, die ihrerseits geheiratet und Kinder bekommen hatten, so daß sie sich rühmte, die beste Großmutter der Stadt im Bett zu sein. Es wurde nie geklärt, ob nun sie ihren Mann verlassen oder ob dieser sie verlassen hatte oder ob beide einander gleichzeitig verlassen hatten, als er zu seiner ständigen Geliebten zog und sie sich frei fühlte, am hellichten Tage Rosendo de la Rosa, einen Flußdampferkapitän, den sie schon viele Male nachts durch die Hintertür eingelassen hatte, am Haupteingang zu empfangen. Und dieser war es dann, der, ohne es sich weiter zu überlegen, Florentino Ariza dort einführte.
    Er brachte ihn zum Mittagessen mit. Außerdem schleppte er eine Korbflasche mit hausgebranntem Schnaps und erstklassige Zutaten für einen kunstgerechten Sancocho an, einen Eintopf, wie er nur aus Hofhühnern, zartknochigem Fleisch, Schweinen aus der Wühle sowie Gemüse und Suppengrün aus den Flußdörfern in aller Ruhe zubereitet werden konnte. Florentino Ariza zeigte sich zunächst jedoch weniger von den Leckerbissen der Küche und der Üppigkeit der Hausherrin als von der Schönheit des Hauses begeistert. Es gefiel ihm, so wie es war, hell und kühl, mit vier großen Fenstern zum Meer hin und dem vollständigen Panorama der Altstadt im Hintergrund. Ihm gefiel die Vielzahl und der Glanz der Dinge, handwerkliche Meisterstücke aller Art, die Kapitän Rosendo de la Rosa von jeder Reise mitgebracht hatte, bis auch kein einziges mehr Platz hatte, und die dem Salon ein zugleich verwirrendes und strenges Aussehen gaben. Auf der Terrasse zum Meer saß in seinem Hängereifen ein malaysischer Kakadu, sein Gefieder war von einem unwahrscheinlichen Weiß, und er strahlte eine nachdenkliche Ruhe aus, die zu denken gab: das schönste Tier, das Florentino Ariza je gesehen hatte.
    Kapitän Rosendo de la Rosa begeisterte sich an der Begeisterung

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