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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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geschnittene:, helle Räume, und legten im Hof der alten Tabakfaktorei einen weitläufigen Garten mit Rosen aller Sorten an, denen sich Florentino Ariza persönlich in seinen morgendlichen Mußestunden widmete. Unverändert blieb allein der Kurzwarenladen, ein Zeugnis der Dankbarkeit gegenüber der Vergangenheit. Den Hinterraum, in dem Florentino Ariza geschlafen hatte, ließen sie so, wie er immer gewesen war, mit der Hängematte und dem Schreibtisch, auf dem sich die Bücher unordentlich stapelten, er selbst aber zog in den als Elternschlafzimmer vorgesehenen Raum im oberen Stockwerk. Dies war der geräumigste und kühlste des Hauses, er hatte eine Terrasse zum Innenhof, auf der es sich nachts angenehm in der Meeresbrise und den Duftschwaden der Rosenstöcke sitzen ließ. Es war auch der Raum, der Florentino Arizas Trappistenstrenge am ehesten entsprach. Die gekalkten Wände waren rauh und ungeschmückt, und es gab keine anderen Möbel als eine Sträflingspritsche, einen Nachttisch mit einer Kerze, die in einem Haschenhals steckte, einen altem Schrank und eine Wasserkanne mit dem dazugehörigen Untersetzer und der Waschschüssel.
    Die Umbauarbeiten dauerten fast drei Jahre und fielen mit einer vorübergehenden Erholung der Stadt dank des Aufschwungs in der Flußschiffahrt und beim Zwischenhandel zusammen, eben jene Faktoren, die auch die Bedeutung der Stadt in der Kolonialzeit gemehrt und sie zwei Jahrhunderte lang zum Tor Amerikas gemacht hatten. Es war aber auch die Zeit, in der sich bei Tránsite Ariza die ersten Symptome ihrer unheilbaren Krankheit zeigten. Ihre Stammkundinnen kamen, immer älter, blasser und schwieriger, in den Kurzwarenladen, und sie erkannte sie nicht, nachdem sie doch ein halbes Leben mit ihnen umgegangen war, oder aber sie verwechselte die Angelegenheiten der einen mit denen der anderen. Das war schlimm bei Geschäften wie den ihren, bei denen man, um die fremde und die eigene Ehre zu schützen, keine Verträge unterschrieb und das Ehrenwort beiderseits als hinreichende Garantie galt. Zunächst schien es, als werde sie allmählich taub, bald aber wurde offenkundig, daß ihr Gedächtnis leck geschlagen war. Also löste sie das Pfandgeschäft auf. Der Schatz in den Tonkrügen reichte aus, um das Haus fertig instand zu setzen und einzurichten, und dann blieben ihr noch immer viele der wertvollsten alten Schmuckstücke der Stadt, deren Eigentümer nicht die Mittel hatten, sie wieder auszulösen.
    Florentino Ariza hatte damals allzu viele gleichzeitige Verpflichtungen, dennoch mangelte es ihm nie an Unternehmungsgeist, um als Gelegenheitsjäger sein Revier auszuweiten. Nach dem erratischen Erlebnis mit der Witwe Nazaret, das ihm den Weg zu den Gassenliebschaften geebnet hatte, jagte er noch mehrere Jahre lang die verwaisten Nachtvögelinnen, immer in der Hoffnung, seinen Schmerz um Fermina Daza zu lindern. Später konnte er dann nicht mehr entscheiden, ob seine Gewohnheit, ohne Hoffnung zu vögeln, ein Seelenbedürfnis oder schlicht ein Laster des Leibes war. Er ging immer seltener in das Stundenhotel, nicht nur, weil seine Interessen einen neuen Kurs genommen hatten, sondern auch, weil er nicht wollte, daß man ihn dort bei anderen als den alltäglichen und keuschen Beschäftigungen, die man an ihm kannte, sähe. In drei dringenden Fällen griff er jedoch auf das einfache Mittel einer Epoche zurück, die er nicht selbst durchlebt hatte: Er verkleidete die Freundinnen, die Angst hatten, erkannt zu werden, als Männer, und sie gingen dann zusammen mit dem trunkenen Gehabe von überfälligen Nachtschwärmern in die Absteige. Bei mindestens zwei Gelegenheiten hatten Zeugen beobachtet, wie er mit seinem angeblichen Begleiter nicht in die Bar, sondern auf ein Zimmer ging, was Florentino Arizas schon reichlich angekratztem Ruf den Gnadenstoß gab. Schließlich ging er nicht mehr hin, und die wenigen Male, die er es noch tat, nicht, um Versäumtes nachzuholen, sondern um, ganz im Gegenteil, eine Zuflucht zu finden, wo er sich von seinen Exzessen erholen konnte.
    Er hatte es nötig. Kaum hatte er um fünf Uhr nachmittags das Büro verlassen, machte er sich wie ein Sperber auf Hühnerfang. Am Anfang gab er sich mit dem zufrieden, was die Nacht ihm bot. Er riß Dienstmädchen in den Parks auf, Schwarze auf dem Markt, Bogotanerinnen an den Stränden und Nordamerikanerinnen auf den Schiffen aus New Orleans. Er nahm sie mit zu den Klippen, wo nach Sonnenuntergang die halbe Stadt das gleiche trieb wie er,

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