Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe in Grenzen

Die Liebe in Grenzen

Titel: Die Liebe in Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
der Hand, dann schiebt sie ihn mir kommentarlos zu. Sie steht auf und beginnt den Tisch abzuräumen. Sie hat schon eine Weile mit dem Geschirr hantiert, als sie sich zu mir umdreht.
    Â» Worauf wartest du? « Meine Freundin hat bemerkt, dass ich den Brief immer noch ungeöffnet vor mir liegen habe. Ich bin mir sicher, dass das nicht die Frage ist, die sie ursprünglich hat stellen wollen.
    Ich zucke mit den Schultern.
    Was hat es mit Rouen auf sich, was macht er da? Ich kann meine Überlegungen nicht stoppen, muss immer wieder darüber nachdenken. Rouen ist die Stadt, in der Johanna von Orléans verbrannt wurde, neunzehnjährig. Das erzählte er mir an dem Abend, nachdem ich ihm zum ersten Mal Modell gesessen hatte.
    Â» Eine Fanatikerin « , sagte ich.
    Er schüttelte ärgerlich den Kopf. » Du verstehst gar nichts! «
    Die Art, wie er mit mir sprach, als wäre ich eine dumme Göre, die von seinen überragenden Gedanken überfordert ist, machte mich wütend.
    Den ganzen Nachmittag bis in den Abend hinein war ich zum Stillhalten aufgefordert worden, während er zeichnete. Schon das hatte mich nervös gemacht: Was würde er in ein Portrait von mir legen, was in meinem Gesicht entdecken und womöglich ungeschützt zu Papier bringen, für jeden sichtbar? Als es zum Zeichnen zu dunkel geworden war, hatte er eine Kerze angezündet und sie so dicht vor mich hingestellt, dass ich vor der Hitze der Flamme zurückweichen musste.
    Â» Wehe, du zeichnest meine Nase nicht ein bisschen kleiner, als sie in Wirklichkeit ist. « Ich hatte versucht, witzig zu sein, um seine merkwürdig-feierliche Stimmung zu entschärfen, es war aber keine Reaktion von ihm gekommen.
    Endlich hatte er mir das Blatt hingehalten und gesagt: » Schau! «
    Ich traute meinen Augen nicht.
    Â» Was hab ich da für ein komisches Ding auf dem Kopf? «
    Â» Guck halt hin! «
    Â» Soll das ein Ritterhelm sein? «
    Er nickte.
    Â» Und das da in der Hand, ist das ein Schwert? «
    Er nickte wieder.
    Â» Du hast mich als Ritterin gemalt? Wozu? «
    Â» Das ist Johanna von Orléans. Frankreichs Nationalheldin. «
    Â» Natürlich weiß ich, wer sie ist, aber wieso hat sie mein Gesicht? «
    Â» Eine nicht unübliche Praxis in der Malerei. Du musst das nicht persönlich nehmen. «
    Ich fühlte mich nicht wohl, wollte dieses Gespräch beenden, mochte aber auch nicht auf mir sitzen lassen, dass er mein Gesicht benutzte für das Bild einer Person, die man auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte.
    Â» Johanna war eine Frau, die nicht in ihre Zeit passte « , fuhr Konrad ohne Umschweife fort. » Sie verweigerte sich den an sie gestellten Erwartungen und ging ihren eigenen Weg, koste es, was es wolle. So wie ich, so wie du. «
    Â» Ich passe ganz gut in unsere Zeit « , antwortete ich. » Und um mich gegen die Erwartungen anderer zu stemmen, würde ich nie so weit gehen, eine Waffe in die Hand zu nehmen. «
    Â» Sie hat nicht für sich, sondern für ihre Vision gekämpft. «
    Â» Noch schlimmer! «
    Einen Heiligenzyklus wolle er zeichnen, erzählte Konrad dann, die weiblichen Figuren mit meinen Gesichtszügen, die männlichen mit …
    Da hatte ich ihn nicht weiterreden lassen, ihn barsch unterbrochen: » Hör auf! Ich will mein Gesicht nicht für deine überspannten Visionen hergeben, such dir jemand anders, den du mit Schwertern oder Büßerhemden drapieren kannst. «
    Ich hatte nicht so aufgeregt klingen wollen, nicht so wirr, aber seine in vielerlei Hinsicht atemberaubenden Zeichnungen zu betrachten war das eine, meine Gesichtszüge in seine Fantasien eingebaut zu sehen, etwas ganz anderes. Ich wollte nicht Teil seiner Bilderwelt werden, weder als Heilige noch als Kriegerin noch als Visionärin. Aber genauso wenig wollte ich zulassen, dass er etwas freilegte, von dem ich entschieden hatte, es zu verbergen. Vielleicht hatte ich an diesem Abend aber auch zum ersten Mal Angst, dass ich seinen Vorstellungen ohnehin nie würde entsprechen können.
    Ist es das, woran er mich mit seinem Brief aus Rouen erinnern will? Hatte er das bemerkt, bevor es mir richtig klar wurde? Ich habe es ihm jedenfalls nicht erzählt, weder an diesem Abend noch sonst irgendwann, habe lediglich weitere Modellsitzungen verweigert. Und er hat das, zumindest dem Anschein nach, widerspruchslos akzeptiert.
    Oder was sonst könnte der Grund

Weitere Kostenlose Bücher