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Die Liebe in Grenzen

Die Liebe in Grenzen

Titel: Die Liebe in Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Dringendes zu tun zu haben, wenn er in meiner Umgebung auftauchte, bemühte mich, sofort das Thema zu wechseln, wenn die Rede auf ihn kam.
    Dann begegneten wir uns bei den Obstwiesen am Waldrand während einer meiner nächtlichen Spazierrunden. Was mich anbelangte, war es Zufall gewesen. Auf dem vom Mond nur schwach beschienenen Weg erkannte ich ihn zu spät, als dass ich noch hätte ausweichen können – wenn ich es denn gewollt hätte. Eine Gestalt erhob sich in der Dunkelheit von dem großen Stein an der Abzweigung zur Goldbachmühle und kam direkt auf mich zu. Unweigerlich wich ich zurück, blieb aber stehen, als ich seine Stimme hörte: » Sieh an, eine Nachtgängerin. Was treibt dich denn aus dem Bett? «
    Da ich gerade über ihn nachgedacht hatte, versuchte ich den Gedanken zu vertreiben, dass er auf mich gewartet haben könnte. Woher hätte er denn wissen sollen, dass ich manchmal nachts dort entlangspazierte? Und dass er mich heimlich beobachtete, konnte ich mir nicht vorstellen.
    Mir fiel keine Antwort ein.
    Er blieb vor mir stehen, reichte mir ungefragt eine Zigarette, zündete ein Streichholz an und führte die Hand, die die Flamme vor dem leichten Wind abschirmen sollte, so nah an mein Gesicht heran, dass mich die Knöchel seiner Finger an der Wange berührten. Ich bemühte mich, ihm nicht in die Augen zu sehen, die viel zu dicht vor meinen waren, nahm einen Zug, blies ihm den Rauch ins Gesicht.
    Konrad steckte danach beide Hände in die Manteltaschen und ging stumm neben mir her. Es war ein anderes Schweigen als das, das zwischen Ada und mir herrschte, während wir mit dem Pony unterwegs waren, nicht unangenehm, aber aufgeladen mit Fragen, die nicht gestellt wurden. Weder von ihm noch von mir. Trotzdem mochte ich seine Anwesenheit, mochte, dass er neben mir schritt, ohne ein Gespräch anzufangen.
    Ich weiß nicht, wie lange wir so durch die Nacht wanderten, eine Stunde, zehn Minuten, die Zeit bekam ein anderes Maß, dehnte sich aus, zurrte sich gleichzeitig zusammen zu einem einzigen langen und viel zu kurzen Moment, in dem sein Ellenbogen immer wieder lose meinen Arm streifte. Dann, ohne Vorwarnung, ohne sich zu verabschieden oder auch nur ein weiteres Wort zu verlieren, schlug er einen Waldweg ein, entfernte sich mit eiligen Schritten und ließ mich allein in der Dunkelheit stehen.
    Als ich am Morgen darauf meinen Rucksack im Erzieherbüro verstaute, stand er plötzlich hinter mir. Er musste mir aufgelauert, sich wie ein Geist an mich herangeschlichen haben. In meinem Nacken konnte ich seinen Atem spüren, ein Gemisch aus Minzzahnpasta und Rasierwasser wehte mich an.
    Er zischte in mein linkes Ohr, seine Stimme heiser und schrill, wie es zu einem alten Kräuterweib gepasst hätte: » Mademoiselle, ich wäre an Ihrer Stelle lieber etwas vorsichtiger und würde nicht im Dunkeln allein durch einsame Gegenden wandern, so nah bei diesem Haus, in dem die Irren untergebracht sind. Was da alles passieren kann! «
    Es folgte ein keckerndes Lachen, das vermutlich nach Wahnsinn klingen sollte. Ich hatte an diesem Morgen keinen Nerv für seine Spielchen, schob ihn entschieden zur Seite und sagte: » Du brauchst hier keinen auf pervers-durchgeknallt zu machen, das kaufe ich dir nicht ab! «
    Aus der hinteren Ecke des Raums drang schallendes Gelächter, und Carmen trat hinter dem Aktenschrank hervor.
    Â» Konrad, an dieser Frau wirst du dir die Zähne ausbeißen, und es wird mir eine große Freude sein, dabei zuzusehen. «
    Ich schaffte es, Carmen kollegial anzugrinsen, in dem Bemühen, ihr vorzugaukeln, ich sei Herrin der Lage, während ich in Wirklichkeit ziemlich verwirrt war und Konrad fragen wollte, was er mit diesem pseudowahnsinnigen Auftritt bezweckt und was für ein Spiel er sich da für mich ausgedacht hatte.
    De facto gab es keinen Raum für Spiele, die Rollen waren klar verteilt: Ich war, wenn auch im Praktikantinnenstatus, eine für seine Betreuung angestellte Erzieherin. Er ein geschädigter Ex-Psychiatriepatient mit dicker, von Auffälligkeiten und Ausfällen seit seinem ersten Lebensjahr erzählender Krankenakte, der bestimmt keine von mir verursachte Gefühlsverwirrung brauchte. Ich war kurz davor, ihm genau das zu sagen, da spürte ich plötzlich eine Berührung meiner Hand, Fingerspitzen öffneten die Faust, die ich unwillkürlich geballt hatte, und hinterließen dort

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