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Die Liebe in Grenzen

Die Liebe in Grenzen

Titel: Die Liebe in Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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klang wie ein schäbiger Witz. Unmöglich konnte ich all diese Briefe lesen, doch zum Zeitpunkt des letzten Schreibens muss Konrad etwa sechzehn und schon länger in Hajo Albrechts Behandlung gewesen sein. Ich begann, ihn zu überfliegen, merkte, dass sich im Lauf der Jahre das Nichtverstehen des Vaters in tief sitzenden Hass verwandelt hatte. Anders waren diese Zeilen nicht zu deuten. Diesem letzten Brief allerdings war eine Stellungnahme beigeheftet, in der ich zu meinem Erstaunen Martins Handschrift erkannte. Er hatte das ursprünglich an seinen Bruder gerichtete Schreiben umfangreich kommentiert, als hätte er sich für eine komplizierte Gerichtsverhandlung vorbereitet. Vor allem aber erzählte er Konrads Geschichte neu und ganz anders. Er interpretierte die frühen Gewaltausbrüche als verzweifelte Versuche, auch nur einen Funken Liebe von seinen Eltern zu bekommen, erklärte Konrads eigenartige Verhaltensweisen mit einer Hochbegabung und einem extrem feinfühligen Wesen, machte aus dem irren Borderliner einen zutiefst verletzten und in schockierender Weise mit seiner ungewöhnlich differenzierten Emotionalität zurückgewiesenen Jungen, der mit entsprechender Hilfe absolut normal und selbstbestimmt leben könne. Martins Kommentar endete mit einem leidenschaftlichen Plädoyer, der Vater möge endlich die herausragenden Begabungen seines Sohns anerkennen, statt ihn zu einem kranken Menschen abzustempeln.
    Im dritten Ordner waren einige offiziell anmutende Schreiben, das Protokoll eines Gesprächs mit dem Grafen und seiner Frau, Schriftwechsel mit verschiedenen Institutionen, eine Plastikmappe mit Zeugnissen der Klinikschule und andere Schriftstücke. Zusammengefasst ließ sich aus diesen Informationen schließen: Martin und Carmen hatten es mit Dr. Albrechts Unterstützung geschafft, Konrad in der Goldbachmühle einen Raum zu geben, in dem er sich relativ frei bewegen konnte, hatten die Rahmenbedingungen dafür ausgehandelt, mit den Eltern von Reichenbach, mit dem Professor, sogar mit der Kunstakademie in Alsfeld, die sich bereit erklärt hatte, Konrad als Gasthörer aufzunehmen, ohne dass sein Vater darüber verständigt wurde. Dort war er also, wenn es hieß, Konrad sei » außer Haus « .
    Gerade hatte ich einen großen Umschlag mit der Aufschrift Androhung Verfahren v. R. herausgezogen, als es an der Tür klopfte. Ich war nicht schnell genug, denn Theo sagte, nachdem er eine Sekunde später hereingeplatzt war, um nach einem vergessenen Fahrradschlüssel zu suchen: » Du hast in den Akten spioniert. «
    Ich schwieg.
    Â» Etwa in meiner? «
    Im ersten Moment wusste ich nicht, was er meinte, dann fiel mir ein, dass in dem Schrank auch die Mitarbeiterakten aufbewahrt wurden.
    Â» Nein, Theo, in deiner nicht. «
    Â» Okay, lass dich aber besser nicht von Carmen erwischen, die reagiert empfindlich, was das anbelangt. «
    Noch vor ihm verließ ich das Büro.
    Als ich an diesem Abend Dienstschluss hatte, stieg ich, ohne lange darüber nachzudenken, die Holztreppe zu Konrads Wohnung hinauf. Ich hatte schon die Hand gehoben, um an der Tür zu klopfen, als mir die ziemlich naheliegende Frage durch den Kopf schoss, was ich ihm eigentlich als Begründung für meinen Besuch sagen sollte: » Hallo, ich habe in deiner Akte gelesen und weiß jetzt nicht, ob ich deswegen traurig oder eher verwirrt sein soll, würde dich aber gern näher kennenlernen, herausfinden wollen, wie du es geschafft hast, der zu werden, der du heute bist, in Erfahrung bringen, warum du mir auf den Grund gehen wolltest. « Oder sollte ich meinerseits etwas von Dingen faseln, die ich in ihm entschlüsseln wollte? Das ging auf keinen Fall. Er durfte nicht wissen, dass ich all die Berichte über ihn gelesen hatte, er könnte das missverstehen. Unter keinen Umständen wollte ich, dass er auf die Idee kam, ich würde mich für ihn als » Fall « interessieren. All diese Überlegungen oder auch ganz andere führten dazu, dass ich an diesem Abend dann doch nicht klopfte, sondern lautlos die Treppe wieder hinunterschlich und mich auf den Heimweg machte. Wahrscheinlich wusste ich da längst, dass etwas aufbrechen könnte, dem ich nicht gewachsen war.
    Während der darauffolgenden Tage versuchte ich eine Begegnung mit Konrad zu vermeiden. Ich schaute abends nicht nach, ob Licht in seiner Wohnung brannte, gab vor, woanders etwas

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