Die Liebe ist ein Daemon
handelt sich um eine Erbschaft, ich soll den Leuten die Besitzurkunde vorbeibringen … und schauen, wer sie sind.«
Während sie das sagt, fährt sie sich mit der Hand durch die Haare. Es ist eine Geste, die ich gut kenne und die verrät, wie nervös sie ist. Alles klar, daher weht der Wind. In unserer Stadt sind »neue Leute« gleichbedeutend mit »potenzieller Gefahr«. Deswegen muss man immer ein paar Nachforschungen betreiben.
Über dieses Haus sind verschiedene Gerüchte im Umlauf, die sich aus Klatsch und Aberglauben nähren. In Wirklichkeit ist es nichts weiter als ein altes Haus – so wie übrigens die meisten Häuser in Viterbo.
Wir biegen in die von hohen Zypressen gesäumte Allee ein und fahren auf das schwere Tor aus Eisen zu, hinter dem sich der dunkle Umriss des Hauses abzeichnet.
|58| Wir parken vor dem Tor und gehen hinein.
Vor den Steinstufen, die zum Haus führen, sehen wir eine sehr schöne Frau. Sie ist vielleicht ein paar Jahre jünger als meine Mutter, sie ist groß und schlank und steht kerzengerade da.
Sie hat uns bereits erwartet.
Sie trägt einen langen schwarzen Rock und einen perlfarbenen Pullover, der sich weich an ihren gut gebauten Körper schmiegt. Die sehr langen dunklen Haare fallen glatt über die Schultern und reichen ihr bis zur Taille.
Sie begrüßt uns mit einem Kopfnicken und einem angedeuteten Lächeln. Dann streckt sie meiner Mutter ein wenig kühl die Hand hin.
»Es freut mich sehr, man hat mir Ihr Kommen bereits angekündigt.«
Ihre Stimme klingt seltsam monoton: Sie verändert beim Sprechen kein bisschen die Tonlage.
»Schön, Sie kennenzulernen, ich heiße Nora«, fährt die Frau fort.
Meine Mutter dagegen gibt sich alle Mühe, so herzlich wie möglich zu klingen. »Ich freue mich auch und heiße Sie in unserer Stadt herzlich willkommen«, sagt sie und stellt eines ihrer schönsten Lächeln zur Schau. »Ich habe die Besitzurkunde mitgebracht, damit ist dann alles erledigt.«
»Sehr schön. Wollen wir nicht drinnen unser Gespräch fortsetzen? Ich habe noch sehr viel einzuräumen und es sind auch noch nicht alle unsere Sachen gekommen, aber es ist bereits einigermaßen wohnlich.«
|59| »Gerne, so lerne ich auch Ihren Mann kennen.«
»Um die Wahrheit zu sagen, ich bin Witwe«, antwortet die Frau kühl.
Mensch Mama, was für ein Fettnäpfchen!
»Ich werde mit meinem Neffen in diesem Haus leben.«
Sie dreht sich um und sieht mich direkt an. Ihr intensiver Blick macht mir ein wenig Angst. Dabei bemerke ich, welch wunderbare Augen sie hat. Sie haben eine schwer zu definierende Farbe, die ins Graue geht.
»Federico ist in etwa so alt wie du, später werde ich ihn dir vorstellen.«
»Aber sicher!«, ruft meine Mutter, die froh ist, das Thema zu wechseln. »Schätzchen, gib uns nur zwei Minuten, wir müssen nur ein paar Unterlagen durchgehen.«
»Hier gibt es einen herrlichen Garten«, sagt Nora. »Er ist ein wenig verwildert, es gibt noch sehr viel zu tun, aber es wächst dort eine Reihe seltener Pflanzen. Wenn du willst, kannst du ihn dir kurz ansehen.«
Meine Mutter sieht mich aufmunternd an, so als ob sie sagen wollte: »Na los, mach, was sie dir sagt.«
»Wenn du diesen Gang entlangläufst«, fügt Nora hinzu und zeigt auf einen dunklen Flur, der durch das Haus führt, »stößt du auf eine Glastür, die zum Garten hinausgeht.«
Ich habe nicht die geringste Lust, das Haus zu erkunden und mir einen Garten mit »seltenen« Blumen anzuschauen, aber ich habe anscheinend keine andere Wahl. Meine Mutter nickt mir weiterhin zu und ich füge mich.
|60| PECHSCHWARZE AUGEN
Der Garten ist ein Traum. Das Gras wurde, solange das Haus leer stand, nicht gemäht und ist hoch gewachsen, aber es ist wirklich schön. Von einer schwer greifbaren, ätherischen und etwas mysteriösen Schönheit.
Es gibt dort Pflanzen, Rosenbüsche, Hecken, die in verschiedenartigen, jetzt natürlich nicht mehr zu erkennenden Formen geschnitten wurden. In ihren Posen verharrend sehen sie wie große Tiere aus, die ruhig vor sich hin schlummern.
Einige sehr große Bäume haben eine Art Decke gebildet, ein riesiges und hohes Dach, durch das man den Himmel kaum noch sehen kann: Das Nachmittagslicht kommt dort, wo es die Baumkronen und Zweige durchdringt, gedämpft und in unzählige Fragmente gebrochen an.
Man findet hier und dort verstreut Statuen und Bänke aus Stein, die von Kletterpflanzen überwuchert sind. Die lange Zeit der Vernachlässigung scheint ihnen die Natürlichkeit, die
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