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Die Liebe ist ein Daemon

Die Liebe ist ein Daemon

Titel: Die Liebe ist ein Daemon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorotea de Spirito
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sie hatten, als sie noch Steinblöcke waren, zurückgegeben zu haben. Sie haben hier ihren Platz, so wie jede andere Pflanze, jeder Baum oder jeder Felsen, der aus der Erde sprießt, auch.
    Es ist, als hätte dieser Ort jenseits der Zeit, in der er |61| gepflegt und gehegt wurde, weiter wachsen und sich entwickeln können.
    Ich setze mich auf eine ziemlich abseits gelegene und nicht gänzlich zugewachsene Steinbank. Ich drehe mich um und sehe mir das Haus an.
    Irgendwie wirkt es gar nicht so gruselig. Obwohl es mich drinnen schon ein bisschen nervös gemacht hat. Es gibt eine Menge Zimmer, das kann man sowohl von innen als auch von außen erahnen.
    Ich schlage das Philosophiebuch auf meinem Schoß auf, auch wenn ich nicht sehr konzentriert bin. Aber morgen schreibe ich den Test und ich weiß noch überhaupt nichts. Was für eine Entschuldigung könnte ich mir ausdenken? Dass ich mich von einem Haus, das aussieht wie der Set zu einem Film, habe ablenken lassen?
    Ich lerne, zumindest versuche ich es. Alles in allem macht es fast Spaß, in diesem schönen Sommerabendlüftchen draußen zu sitzen, und mir gefällt dieser Ort, der wie ein Unterschlupf außerhalb der Zeit wirkt, wie ein Fragment aus einem Traum.
    Ich habe jedoch den Eindruck, dass meine Mutter ein bisschen zu lange braucht. Seltsam, normalerweise sind diese bürokratischen Dinge ziemlich schnell erledigt.
    Ich schaue hoch, um zu sehen, ob sie bereits herauskommt, aber nichts zu machen. Bevor ich meinen Kopf wieder in das Schulbuch stecke, blicke ich noch einmal zu den Fenstern des Hauses. Ganz instinktiv.
    Und das Blut gefriert mir in den Adern.
    |62| Mein Herzschlag setzt aus und mir stockt der Atem. Ich beuge den Kopf nach unten und versenke ihn wieder in die Ideen von Platon, ich suche Zuflucht im
Phaidros
und bitte Parmenides um Schutz, aber alles ist umsonst.
    Ich spüre mein Herz wie verrückt in meiner Brust hüpfen.
    Zwei ganz dunkle Augen, so pechschwarz wie der Boden eines Brunnens oder wie die unbeleuchtete Spitze eines Turms, starren mich aus einem der Fenster an.
    Atme, atme tief durch und beruhige dich.
    Lass dich nicht von Panik übermannen und vor allem mach dich nicht lächerlich. Hol tief Luft und schau noch einmal zum Fenster.
    Es ist nicht gesagt, dass er dort steht.
    Vielleicht ist es nur, was weiß ich, ein Hausangestellter, möglicherweise jemand vom Umzugsunternehmen, der gerade in den oberen Räumen die letzten Sachen einräumt, oder schlimmstenfalls eine Halluzination.
    Das könnte doch sein, schau mit deinen verflixt ängstlichen Augen nach oben und bereite der Unsicherheit ein Ende.
    Ich blicke zögernd zu dem Fenster, das Blut hämmert in meinen Schläfen. Ich sehe deutlich das silberne Glänzen seines Piercings, bevor er hinter einem dichten Vorhang, der vor das Fenster gezogen wird, verschwindet.
    Und diese Augen mitnimmt.
    O Gott.
    Ich lege eine Hand auf mein Herz, es klopft wie verrückt und mir wird fast schlecht. Hör auf, flüstere ich mir zu, |63| während ich meine Schläfen massiere, er ist weg. Er ist weg, er ist weg, versuche ich mir immer wieder vergeblich zu sagen.
    Ich muss raus hier.
    Ich stehe von der Bank auf. Falls er jemals wieder Lust bekommen sollte, sich noch mal am Fenster zu zeigen, muss ich seinen Blick nicht mehr auf mir spüren. Meine Beine zittern leicht und ich presse das Philosophiebuch wie einen Schild an meine Brust. Ich laufe im Garten umher und gehe, ohne genau zu wissen, welche Richtung ich einschlagen soll, an einer herrlichen Trauerweide vorbei. Normalerweise hätte ich die zarten Zweige zur Seite geschoben und mich daruntergesetzt. Jetzt aber gehe ich zwischen Hecken und Sträuchern weiter. Ein paar Statuen scheinen mich zu beobachten. Ich vermeide ihre marmornen leeren Augen, als ob ich Angst hätte, ihre Blicke zu kreuzen.
    Ich bleibe bei einem Rosenstrauch stehen, dessen mit Blüten verzierte Zweige sich nach vorne schieben, um sich fast kaskadenförmig ineinander zu verflechten.
    Ich strecke die Hand nach der Pflanze aus und streichele eine scharlachrote Blüte. Sie ist samtig weich und hat die intensive Farbe von Blut.
    Die meisten Knospen sind wie die, die ich gerade berührt habe: geöffnet und nach außen gedreht, auf dem Höhepunkt ihrer Schönheit. Und doch kommt es mir recht ungewöhnlich vor   … blühen Rosen nicht eigentlich im Mai?
    Ich berühre eine weitere Blüte, streiche den schlanken und mit vielen Dornen besetzten Zweig und gehe mit den Fingern |64| bis zum Ende des

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