Die Liebe ist ein Dieb und der Pirat der Träume (German Edition)
als würde ich einem völlig anderen Schwerkraftgesetz unterliegen.
„Kate“, sagte sie und musterte mich durch ihre dunklen Brillengläser. „Als Josephine mir von Ihrer Idee erzählt hat, da war ich erst einmal ein wenig skeptisch, ob ich etwas zu Ihrer Untersuchung in Bezug auf die Liebe beitragen kann.“ Sie sprach langsam und bedächtig, betonte jede einzelne Silbe, was so typisch für einen breiten texanischen Dialekt ist. „Ich komme aus einer anderen Generation als Sie, Schätzchen, daher kann ich meine Geschichte erzählen, aber ich bin nicht sicher, ob das, was ich zu sagen habe, für die Frauen von heute noch relevant ist.“
„Ich bin sicher, dass alles, was Sie sagen, relevant ist.“ Voller Ehrfurcht flüsterte ich beinah. „Wir verlieben uns noch immer, vielevon uns versuchen, das Arbeitsleben mit einer Beziehung in Einklang zu bringen, mit dem Kinderkriegen und mit Freundschaften und Hobbys.“ Ich traute mich kaum, sie anzuschauen. „Sie haben mit zur ersten Generation von Frauen gehört, die das versucht hat. Ich glaube, dass Sie genau die richtige Person für dieses Interview sind. Sie haben eine Revolution in Gang gesetzt!“, erklärte ich und reckte dabei zaghaft und neutral eine Faust in die Höhe, während ich an Delawares rechter Schulter vorbeisah.
„Das ist nett gesagt“, erwiderte sie, klopfte mir liebevoll auf meine geballte Faust, bevor sie sie wieder herunterzog. „Aber es kam mir zu der Zeit nicht wie eine Revolution vor. Damals, als ich so viel gearbeitet habe, fühlte ich mich eigentlich immer nur überfordert, ängstlich und ziemlich alleingelassen. Ich war ein Mädchen vom Dorf, das Karriere gemacht hat. Immerhin habe ich mit einigen der größten Schauspieler jener Zeit vor der Kamera gestanden, habe mit unglaublichen Regisseuren gearbeitet. Es gehörte zu meinem Job, einige der fantastischsten Männer zu küssen, allerdings, um die Wahrheit zu sagen, waren die meisten von ihnen bedauerlicherweise schwul. In den Augen der Öffentlichkeit hat es wohl so ausgesehen, als hätte ich alles gehabt. Aber gleichzeitig habe ich in mir eine gewisse Leere verspürt.“
„Glauben Sie, dass diese Leere daher kam, weil Sie sich nicht verliebt hatten?“ Beim Klang meiner Stimme zuckte ich unwillkürlich zusammen. „Haben Sie vielleicht auf die Liebe gewartet?“
„Na ja, natürlich dachte ich häufig an die Liebe und die Tatsache, dass sie in meinem Leben fehlte. Während meine Freundinnen alle nacheinander ihre Männer fanden, was sie alle sehr viel schneller taten als ich, habe ich mich sicherlich auch manches Mal gefragt, warum die Liebe nicht in mein Leben getreten war. Ob ich vielleicht der Typ von Frau war, der sich nicht verlieben konnte. Die Art von Frau, die Männer nicht heiraten wollen. Dass man vielleicht doch nicht alles haben konnte.“
„Haben Sie denn aktiv nach der Liebe gesucht?“
„Sie meinen, ob ich mich verabredet habe?“ Sie lächelte. „Schätzchen, ich war auf so vielen Verabredungen, dass ich eineGebrauchsanweisung dafür schreiben könnte. Und es ist lustig, dass Sie danach fragen, denn als ich in meinen alten Tagebüchern gelesen habe, bin ich auf einen Eintrag gestoßen, den ich nach solch einer Verabredung geschrieben habe. Das war letztlich der Grund, dass ich Sie angerufen habe.“ Sie griff in ihre Handtasche und holte ein altes, ledergebundenes Tagebuch heraus. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Ihnen gern etwas vorlesen.“ Sie räusperte sich und begann zu lesen. Ich kam mir vor, als würde ich sie in einem ihrer Filme beobachten.
5. Juni
Liebes Tagebuch,
ich bin besorgt. Ich habe Angst. Ich glaube, ich habe eine ungesunde Einstellung zum Warten. Ich fürchte, ich tendiere dazu, Sachen in der Schwebe zu lassen, Dinge und Geschehnisse einfach abzuwarten. Liebes Tagebuch, ich bin immer so beschäftigt. Ich glaube, es ist für einen Menschen gar nicht möglich, noch beschäftigter zu sein als ich. Aber heute wurde mir klar, so beschäftigt oder so erfolgreich ich als Schauspielerin auch sein mag, bin ich doch eigentlich immerzu am Warten. Ich warte auf diese eine Sache, ich warte darauf, dass etwas passiert. Ich warte darauf, mich zu verlieben, und ich glaube, mir war vorher gar nicht bewusst, dass ich warte.
Gestern Abend war ich wieder mal verabredet. Er arbeitet an der Wall Street in irgendeiner Bank. Er hat mir seinen Job erklärt, aber als er anfing, über Zinssätze und Prozentpunkte zu reden, hatte er meine
Weitere Kostenlose Bücher