Die Liebe ist ein Dieb und der Pirat der Träume (German Edition)
Aufmerksamkeit verloren. Er war ein netter Mann, gut aussehend, so, wie Banker eben aussehen, und er war auch sehr interessiert an dem Stück, in dem ich ab nächster Woche mitspiele. Aber ich konnte den Abend nicht genießen. Weil ich bereits nach dreißig Sekunden wusste, dass der Typ nicht der Richtige für mich ist. Wie kann man so etwas so schnell erkennen? Ich sollte es doch besser wissen, als ein Buch nur nach seinem Umschlag zu beurteilen. Doch weil ich entschieden hatte, dass er nichts für mich ist, konnte ich mich den Rest des Abends nicht mehr entspannen. Ich konnte nicht einfach dasitzen, das Essen genießen, den Wein, die interessante Unterhaltung über Themen, mit denen ich nicht sonderlich vertraut bin. Ich müsste doch eigentlich ein neugieriger Mensch sein, eine Künstlerin, die jede einzelne Erfahrung mit offenen Armen annimmt und absorbiert. Aber ich verspürte nichts weiter als eine nagende Enttäuschung und Sehnsucht nach etwas, das ich noch nie gehabt hatte, nach etwas, das mir nie versprochen worden war, nach etwas, das ich noch nie erlebt hatte. Dieser Mann sagte nicht: ‚Delaware, geh mit mir essen! Ich bin der Mann deiner Träume.‘ Trotzdem bin ich mit ihm essen gegangen, und in gewisser Weise hatte ich diese Erwartungen an ihn, oder zumindest hegte ich gewisse Hoffnungen. Hoffnungen, die ich so tief in meinem Unterbewusstsein vergraben hatte, dass mir meistens gar nicht bewusst war, dass sie existieren. Wie ist es möglich, etwas zu vermissen, das man nie gehabt hat? Wie soll ich denn jemals jeden einzelnen Moment des Lebens genießen, Minute für Minute, Sekunde für Sekunde, wenn ich immer unbewusst nach dieser Sache, nach der Liebe, Ausschau halte? Möglicherweise war ich nie wirklich ganz bei mir selbst. Und wieso hat der Mensch dieses überwältigende Bedürfnis, sich darüber zu definieren, dass er Teil eines Paares ist?“
„Aber Sie haben sich doch verliebt. Sie haben geheiratet.“
Delaware O’Hunt ließ den Blick in die Ferne schweifen und schwieg einen Moment, ehe sie antwortete.
„Ich wusste von der ersten Minute an, als Richard den Raum betrat, dass er der Richtige für mich war. Wir trafen uns auf einer After-Show-Party von einem Off-Broadway-Stück, in dem ich die Hauptrolle gespielt hatte. Er war ein junger Regisseur mit großen Flausen im Kopf. Er scherte sich nicht um die Konventionen, die alle anderen von uns einengten. Es war berauschend, in seiner Nähe zu sein. An jenem Abend lud er mich auf einen Kaffee einund zeigte mir das Skript für ein Stück, in dem ich mitspielen sollte. Er hätte mir das Drehbuch für eine Waschmittelreklame zeigen können, und ich hätte eingewilligt, daran mitzuwirken. Er war der Richtige . Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Gefühle verspürt, denen ich völlig ausgeliefert war. Gefühle, von denen ich wusste, dass sie nie wieder verschwinden würden. Gott sei Dank empfand er genauso! Ich hatte mal eine Freundin, die sich in einen Schweizer verliebt hatte, der ihre Gefühle leider überhaupt nicht erwidert hat. Was für eine prekäre Lage für eine Frau! Deine einzig wahre Liebe will nichts, aber auch gar nichts von dir wissen!“
Ich liebte die Art und Weise, wie Delaware die Worte mit ihrem texanischen Dialekt betonte.
„Als Richard also auf der Bildfläche erschien, als die Liebe endlich da war, wie hat das Ihr Leben verändert?“
„Richard und ich begannen fast sofort, miteinander zu arbeiten. Die Sachen, die man leidenschaftlich gern tut, mit dem Mann zu teilen, den man leidenschaftlich liebt, das war wie ein wahr gewordener Traum. Er war in kreativer Hinsicht einfach brillant, und ich glaube, dass er für einige der besten Vorstellungen meines Lebens verantwortlich ist. Er veränderte mein Leben in jeder Hinsicht. Ich war wie besessen von ihm und meinen Gefühlen für ihn. Innerhalb eines Jahres waren wir verheiratet und unzertrennlich.“
„Also war es für Sie eine positive Erfahrung, sich zu verlieben?“
„Ich glaube an eine gewisse Balance im Leben. Jedes Hoch bringt auch ein Tief mit sich. Und so war es auch mit Richard. Mit meiner Karriere ging es steil nach oben, was ich sicherlich größtenteils ihm zu verdanken hatte, aber wenn ich Traumangebote bekam, wollte ich nichts annehmen, was uns für längere Zeit getrennt hätte. Natürlich konnte ich auch keine Rollen in Stücken oder Filmen annehmen, wo er als Regisseur abgelehnt worden war oder wo ich mit einem Regisseur arbeiten würde, den er für
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