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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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die Bühne. Seine Stimme. Das Klavier. Sie ging jedes Jahr in seine Konzerte. Dann die Beerdigung in Monaco, sie fuhr mit Isabelle hin, ein Grab neben dem von Josephine Baker. Sie weinten. Léo war fortgegangen, um die Toten singen zu lassen.
    Place des Halles, sie wartet auf ein Taxi. Der Chauffeur starrt sie im Rückspiegel an.
    »Sind Sie Schauspielerin?«, fragt er.
    Sie sagt nein, sie sei auf der Durchreise.
    »Aber Sie sehen jemandem ähnlich …«
    »Jeder sieht irgendjemandem ähnlich.«
    »Ja, aber Sie …«
    Sie wendet den Kopf ab.
    Er bohrt nicht weiter nach. Setzt sie hinter der Brücke ab. Mit baumelnden Armen, die Tasche in der Hand, läuft sie im gelben Schein einer Laterne. Der Kahn liegt unter den Bäumen. Eine gespannte Wäscheleine, darauf ein Handtuch.
    Am Flussufer parkt ein Kleintransporter. Junge Leute sitzen um ein Feuer, einer spielt stockend Jeux interdits .
    Sie geht zum Fluss.
    Die Matratze liegt immer noch auf der Uferböschung. Bevor sie sich trennten, hatten sie sich geliebt, sie hatte gewusst, dass es das letzte Mal wäre, Odon hatte mit seinem ganzen Gewicht auf ihr gelegen, sie hatte es von ihm verlangt. »Zerquetsch mich …«
    Der Fluss wirbelt Schlamm hoch, der gegen den Rumpf schlägt. Es riecht nach feuchter Erde, eine Mischung aus Gras und Blättern, ein Geruch, der sie an ihre Nächte erinnert.
    Die Kröte sitzt auf dem Laufsteg, aus der Ferne sieht sie wie ein grünlicher Stein aus.
    »Monsieur Big Mac …«
    Sie nimmt ihn in die Hände.
    Die Lampe über der Tür brennt. Sie erinnert sich, ein Satz wie ein Versprechen. Könnte es sein, dass er sie fünf Jahre lang hat brennen lassen …
    Sie setzt Big Mac wieder ab.
    Odon sitzt auf Deck in einem Sessel. Mit dem Rücken zu ihr. Sie geht weiter. Berührt ihn leicht, ein Streichen mit den Fingern über den Hemdkragen.
    »Es ist heiß am Ufer deines Flusses, man kommt sich vor wie in Iowa.«
    Er lächelt, ohne sich umzudrehen.
    Er nimmt ihre Hand und küsst ihre warme Handfläche. Seine Lippen finden den Geschmack ihrer Haut wieder.
    »Aber ich bin nicht Phil Nans …«
    Sie lässt ihre Finger über seine Schulter gleiten.
    »Und auch nicht Clint Eastwood. Und ich bin nicht Meryl Streep.«
    Sie schließt die Finger.
    Er steht auf.
    Er sagt: »Ich habe dich erwartet, ich habe Kaffee gemacht.«
    Er schenkt ihr einen starken Arabica ein, brühheiß, ohne Zucker. Er bringt auch Wasser und Schokoladentäfelchen.
    Sie sieht ihn an.
    »Du hast dich nicht verändert.«
    »Mein Äußeres passt sich an, aber innen drin …«
    »Was ist innen drin?«
    »Meine Hölle …«
    Sie lächelt.
    »Meine Hölle bist du.«
    Die Luft ist feucht und heiß, der Fluss träge. Sie setzt sich auf das Sofa, lehnt den Kopf zurück.
    »Wir konnten uns nicht zufällig wiedersehen … uns einfach so auf der Straße begegnen …«
    Zwei Silberreifen umschließen ihr Handgelenk. Wenn sie sich bewegt, berühren sie sich. Ihre Arme sind nackt, goldbraun.
    Er zündet sich eine neue Zigarette an. Ein Tabakhalm bleibt an seiner Lippe hängen, er entfernt ihn.
    Sie streckt die Hand aus, nimmt seine Zigarette, raucht sie.
    »Man erzählt, du lebst allein auf deinem Kahn und hast Freundinnen unter den Straßenmädchen.«
    »Hörst du auf Gerüchte?«
    »Ich höre auf alles, was mit dir zu tun hat.«
    Sie erkundigt sich nach Isabelle. Sie sagt, sie sei durch die Rue de la Croix gekommen, aber nicht hinaufgegangen. Es mache ihr Angst, die Leute nach so langer Zeit wiederzusehen.
    »Ich habe deine Schwester gesehen und den Pfarrer.«
    Sie reden über Julie, über Jeff.
    »Hast du immer noch dieses Foto? Den Vogel, der inmitten der Kugeln fliegt?«
    »Ich habe es immer noch.«
    »Und die Decke mit den Glühbirnen?«
    Sie hatten eine Glühbirne an die andere gereiht. Vorsichtig, sie erinnern sich an die Einzelheiten, das unbändige Lachen.
    Sie wirft den Kopf zurück, öffnet die Augen weit und streckt die Hand zum Himmel aus.
    »Hast du den Mond gesehen, man könnte meinen, er weint …«
    Sie erinnert sich an Dinge, die er vergessen hat.
    »Du bist der schönste Teil von mir …«
    Sagt sie.
    Sie kann ihm alles sagen.
    Sie reden nicht über Anamorphose . Und doch ist Anamorphose da, zwischen ihnen, ganz eng mit ihrer Geschichte verbunden.
    Sie wechseln einen langen Blick.
    Vor fünf Jahren hatte er das Manuskript in den Postkorb gelegt, und sie hatte es wieder herausgenommen, bevor der Briefträger kam. Sie tat es, ohne es ihm zu sagen, sie wollte es ihm später

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