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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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Mathilde?«, fragt sie.
    Das Chanson geht zu Ende, die letzten Töne.
    Stille.
    In diese Stille hinein antwortet Isabelle.
    »Sie war Odon Schnadels große Liebe.«

I sabelle steht auf, sie stützt sich auf einen Stock.
    »Ich werde dir etwas zeigen …«
    Sie geht zum Bücherschrank und öffnet eine der unteren Türen. Im Innern zwei lange mit geblümter Klebefolie überzogene Regale. Auf jedem Regal Bücher, Akten, Schachteln und ein Sparschwein.
    Es riecht muffig, nach Staub, nach alten Papieren.
    Isabelle lehnt den Stock gegen den Bücherschrank, bückt sich, zieht Bücher heraus und versucht zu erkennen, was sich dahinter befindet. Sie sagt, dass sie unbedingt aufräumen müsse.
    »Mathilde ist heute eine berühmte Schauspielerin. Außerdem ist sie meine Nichte, und ich bin sehr stolz auf sie.«
    Das zweite Fach quillt über von Zeitschriften, mehrere Jahre alten Flyern und zusammengerollten Plakaten. Paris Match , Dezember 1951. Isabelle reicht das Heft Marie. Das Papier ist vergilbt. Eine Nummer der Zeitschrift Ciné Monde 1962, das Gesicht von Jeanne Moreau auf dem Titelblatt.
    »Ich räume nichts auf, aber ich behalte alles, also muss es zwangsläufig hier irgendwo sein.«
    Sie kramt, nimmt heraus, was sie ihre Schätze nennt, einen Kalender der Vorstellungen des TNP 1955, den mit Buntstiften gezeichneten Entwurf des Kostüms von Richard II .
    Sie entdeckt eine kleine Spieluhr und gibt sie Marie, die vorsichtig die Kurbel dreht. Töne tanzen durch die Luft, Sur le pont d’Avignon .
    Marie lächelt.
    Isabelle kramt weiter und findet endlich, was sie sucht. Sie richtet sich auf, die Stirn schweißbedeckt.
    In der Hand hält sie einen dicken Stapel Blätter, die von zwei Gummibändern zusammengehalten werden.
    Sie legt den Stapel auf das runde einbeinige Tischchen.
    Eines der Gummibänder platzt und fällt auf das Parkett.
    »Mit diesem Text ist sie bekannt geworden.«
    Ihre Wangen sind gerötet. Marie hebt das Gummiband auf.
    Isabelle schließt die Türen.
    »Damit ist sie berühmt geworden. Ultimes déviances … Sie hat ihn hier geschrieben. Und auch gelernt.«
    Sie streicht über die erste Seite.
    »Sie hat oben gearbeitet, im blauen Zimmer. Nur ein Fußboden, kein Teppich. Ihr Schritt hörte sich an wie der eines Raubtiers. Wochenlang ging das so. Sie lebte völlig zurückgezogen.«
    Sie sagt, nachts höre sie sie noch immer hin und her gehen.
    Marie erinnert sich an den Blick ihres Bruders, wenn er schrieb. Auch er ähnelte einem Raubtier.
    Sie legt das Gummiband auf das Tischchen und die Spieluhr daneben.
    Nähert sich dem Manuskript.
    Auf der ersten Seite, mit einem Stift geschrieben:
    Möglicher Titel: Ultimes déviances ?
    Darunter, in Druckschrift, ein anderer Titel: Anamorphose .
    In Klammern gesetzt.
    Marie hört ihr Herz schlagen.
    Isabelle hat sich wieder auf das Sofa gesetzt. Sie erzählt in allen Einzelheiten von Mathildes Weggang, zuerst nach Lyon, dann nach Paris. Wie glücklich Mathildes Erfolg sie gemacht hat.
    Marie schlägt das Manuskript auf. Der Text ist über hundert Seiten lang, maschinengetippt, mit Bleistiftkorrekturen.
    Anamorphose , sie erinnert sich an diesen Titel.
    Sie liest ein paar Zeilen: »Was man sieht, ist nur das, was man sehen will.«
    Andere Sätze, zufällig herausgegriffen. »Denn jeder Gegenstand hat eine Geschichte, jede Falte, jede Hand. Ich gehe zur Wand, ohne mich rechtfertigen zu wollen, ich bastle mir mein Leben zurecht und verfange mich in seinem Netz.«
    Korrekturen sind vorgenommen worden, Sätze durchgestrichen, andere hinzugefügt. Pfeile, Zeichen, Umstellungen von Absätzen.
    Zwischendurch ganze Seiten ohne Korrekturen.
    Marie blättert zum Anfang zurück.
    »Die Sterne über meinem Kopf befinden sich immer am selben Ort, am Tag sind sie da, und doch sehe ich sie nicht.«
    Sie erschauert.
    Ihre Fingernägel kratzen ihre Haut. Lösen eine Kruste.
    »Wer hat das geschrieben?«
    Isabelle hebt den Kopf.
    »Mathilde natürlich.«
    »Warum hat sie das getan?«
    »Warum hat sie was getan?«
    Marie zeigt ihr die durchgestrichenen Wörter, die Ergänzungen am Rand.
    Die Frage überrascht Isabelle.
    »Um es spielen zu können … Weil es ein Entwurf war … Sie musste es überarbeiten. Eine erste Fassung wird immer überarbeitet. Was hast du für ein Problem?«
    Marie sagt, sie habe kein Problem. Sie blättert.
    »Hat sie das geschrieben?«
    Isabelle bricht in schallendes Gelächter aus.
    »Sie hat es geschrieben und korrigiert. Und dann hat sie es

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