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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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sich, hebt den Strauß auf und drückt die roten Rosen an ihre Brust. Die Blütenblätter sind kalt.
    Der Boden vibriert vom Beifall. Sie lächelt, zwischen Lachen und Tränen, strahlend steht sie vor ihnen. Sie verführt sie von den Bühnenbrettern herab.
    Verzückte Gesichter.
    Sie lächelt noch einmal.
    Sie kehrt nicht zurück.
    Sie kehrt niemals zurück.
    In der Garderobe wirft sie die Blumen weg, lässt sich auf den Stuhl fallen und nimmt für einen Augenblick den Kopf zwischen die Hände, erschöpft.
    Pablo legt ihr die Hand auf die Schulter.
    »Jemand möchte Sie sprechen.«
    »Ich bin für niemanden da.«
    Sie befreit sich von den Ballerinas, legt die Beine auf die Tischkante und schließt die Augen.
    Etwas Blut an der Stelle ihrer Brust, an die sie die Blumen gedrückt hat.
    Pablo übt mit der Hand insistierenden Druck auf ihre Schulter aus.
    Sie seufzt, zieht die Beine vom Tisch und dreht sich um.
    Odon steht in der Tür.
    Sie steht auf, bringt ihr Haar in Ordnung.
    »Warst du im Saal?«
    »Ja.«
    »Wie war ich?«
    »Wunderbar.«
    »Ich glaube dir nicht.«
    Er deutet auf die roten Spuren auf ihrer Brust.
    »Du bist die gekreuzigte Jogar.«
    Sie blickt in den Spiegel. Träufelt Desinfektionsmittel auf einen Wattebausch. Er nähert sich ihr und nimmt ihr die Watte aus der Hand.
    »Du solltest die Blumen nicht so fest an dich drücken.«
    Er tupft ihre Brust ab.
    Um den Hals trägt sie die Kette, die er ihr geschenkt hat, als sie nach Schottland fuhren. Es hatte die ganze Woche geregnet. Sie hatten ihre Tage in den Pubs verbracht.
    Er schiebt einen Finger unter die Kettenglieder.
    »Die Schwester von Selliès ist da.«
    »Wessen Schwester?«
    Sie blickt zu ihm auf.
    Dann wendet sie sich ab. Eine leichte Röte breitet sich auf ihren Wangen aus.
    »Ich wusste nicht, dass er eine Schwester hatte.«
    Er wirft den Wattebausch in den Mülleimer.
    Sie schminkt ihr Gesicht ab. Auf dem Kosmetiktuch das Sandbraun des Puders. Zwischen den Borsten der Bürste ein paar Haare. Auf einem Stuhl zusammengefaltet eine Jeans und ein T-Shirt. Ein breiter geflochtener Ledergürtel. Sie nimmt alles und schlüpft hinter den Vorhang. Odon hört, wie sie das Kleid auszieht, das Rascheln des Stoffs. Er stellt sich ihre Bewegungen vor, die Schenkel in der Jeans, den Reißverschluss und das T-Shirt. Die Schnalle des Gürtels.
    Sie kommt wieder hervor. Sie ist braungebrannt, am Bauch und an den muskulösen Armen. Sie nähert ihr Gesicht dem Spiegel, legt einen Hauch Puder auf.
    Odon folgt ihr mit dem Blick.
    »Sie weiß, dass ihr Bruder Anamorphose geschrieben hat …«
    Ihre Augen begegnen sich.
    »Und?«
    »Und nichts … Sie weiß auch, dass er es mir geschickt hat.«
    Sie zündet sich eine Zigarette an. Der Text wäre verloren gegangen. Über zweihundert Seiten, die nicht einmal gebunden waren.
    »Ich habe nichts Schlimmes getan.«
    »Das habe ich auch nicht gesagt.«
    »Also was?«
    Sie trägt Lipgloss auf ihre Lippen auf und schlüpft in Sandalen mit Absätzen und gekreuzten Riemen.
    »Den Text von Selliès gibt es nicht mehr … Ich habe ihn überarbeitet, ich habe ihn ersetzt, er ist zu etwas anderem geworden.«
    Sie hebt den Kopf, ihre schwarzen Augen glühen. Sie wollte immer stärker sein als ihre Ängste, stärker als ihre Wünsche, dadurch ist sie die Jogar geworden.
    Sie beruhigt sich. Lächelt ihm seufzend zu.
    »Gehen wir etwas trinken?«
    »Man wird uns zusammen sehen …«
    Sie nimmt ihre Tasche, eine rote Umhängetasche, die sie über die Schulter hängt.
    Sie berührt leicht Odons Arm.
    »Ich kenne einen verschwiegenen Ort nicht weit von hier.«

S eit zwei Tagen trägt Jeff schon den Fisch mit sich herum. Er erträgt es nicht mehr, ihn eingehen zu sehen, daher überquert er mit dem Glas die Brücke und geht zu der Stelle am Ufer, wo Monsieur Big Mac für gewöhnlich schwimmt.
    Der Fluss ist breit, zu groß, mit Wasser, das zu dunkel ist. Er stellt das Glas ans Ufer und kippt es langsam um. Das Wasser aus dem Glas vermischt sich mit dem des Flusses.
    Jeff neigt das Glas noch mehr, lässt es ins Wasser gleiten und untergehen. Der Fisch bleibt im Inneren, er scheint es nicht verlassen zu wollen.
    Jeff setzt sich unter die Platanen und kratzt mit einem Stock in der Erde herum.
    Er denkt an das, was er tun muss, das Deck lackieren und den Salat gießen. Die Töpfe sind zu klein, der Salat hat nicht genügend Platz. Vorher waren Geranien in den Töpfen gewesen, doch er hatte den Geruch nicht gemocht und sie nicht mehr

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