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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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gespielt.«
    »Wie können Sie da so sicher sein?«
    Isabelle nimmt Marie das Manuskript aus den Händen und streift das Gummiband um die Seiten.
    »Manche glauben, dass eine Schauspielerin nicht auch das Talent zu schreiben habe …«
    Ihre Stimme klingt jetzt schroff, kalt.
    Sie drückt das Manuskript an ihre Brust.
    »Eines Morgens kam sie aus ihrem Zimmer und hat es rezitiert. Am Anfang hat sie sich versprochen und musste von vorn anfangen. Sie war unglaublich gereizt. Später brauchte sie dann Odon, aber bis dahin hat sie alles ganz allein gemacht.«
    Isabelle wird von Rührung übermannt. Sie erinnert sich gern an diese Augenblicke. Als Mathilde fortging, ließ sie ein paar Dinge zurück. Das Manuskript und Kleider, die noch immer auf Bügeln im Schrank hängen.
    Marie starrt auf den Fußboden. Alles ist plötzlich so verworren.
    »Wo ist es gespielt worden?«, fragt sie.
    »In Paris, in Lyon, überall …«
    »Und wann war das?«
    Isabelle legt das Manuskript neben sich auf das Sofa. Sie lehnt den Kopf zurück, die Augen halb geschlossen, das Gesicht dem Fenster zugewandt. Der blaue Himmel über den Dächern.
    »Es war zur Zeit ihrer Liebe, etwas mehr als fünf Jahre ist es jetzt her.«
    Marie nickt.
    Sie deutet auf das Manuskript.
    »Darf ich es mir ausleihen?«

M arie verlässt langsam das Haus. Die Treppe, die Straße.
    Ein Junge dribbelt mit einem Ball über den Bürgersteig. Sie hört ihn über den Asphalt rollen, folgt ihm mit den Augen.
    In ihrem Kopf summt es.
    Die Luft ist klebrig.
    Sie geht weiter.
    In der Rue Sainte-Catherine herrscht reges Treiben. Es ist mitten am Nachmittag.
    Reges Treiben auch unter den Platanen der Place des Châtaignes.
    Sie betritt das Chien-Fou. Das Vaudeville ist fast zu Ende. Auf Stühlen liegen Kostüme, eine falsche Wand, ein großes Schloss.
    Aus einer Garderobe hört sie Lachen, Gelächter auch hinter einer Zwischenwand.
    Sie geht zum Büro. Die Tür ist verschlossen.
    Sie klopft, wartet.
    Sie kehrt zum Eingang zurück. Touristen betrachten ihre Fotos.
    Die Kassiererin hat Odon nicht gesehen, aber sie sagt, dass er nachmittags manchmal auf seinen Kahn geht, um sich auszuruhen.
    Marie überquert die Brücke.
    Eine Menge lärmender junger Leute ergießt sich in die Stadt, Mütter, manche mit Kinderwagen, Kinder.
    Es ist heiß.
    Der Asphalt vibriert.
    Stellenweise schmilzt er.
    Marie läuft gegen den Strom, das Manuskript an sich gedrückt. Es hat etwas Beklemmendes, so mit gesenktem Kopf durch diese heiße, stickige Luft zu gehen.
    Sie geht zum Ufer hinunter und dann am Fluss entlang. Hier ist es ruhiger. Die Natur wird urwüchsiger. Sie flüchtet sich in den Schatten des Wegs, unter das Laubdach der Bäume.
    Am Rand des Flusses schwimmen ein paar Enten.
    Marie betritt das Deck. Sie drückt ihr Gesicht an die Fensterscheibe. Odon ist nicht da.
    Sie setzt sich in einen Sessel, mit untergeschlagenen Beinen. Die Seiten des Manuskripts tragen keine Seitenzahlen. Sie beginnt zu lesen, ohne auf die Korrekturen zu achten, sie liest nur, was in Druckschrift geschrieben ist.
    Langsam.
    Sie hat alle Zeit der Welt.
    Manchmal hält sie inne und betrachtet den Himmel.
    Das Licht scheint auf den Fluss. Sie stellt sich vor, dass es so in Vietnam aussieht, die Halong-Bucht, der Mekong, überall Licht, so grell, dass die Augen tränen.

M arie sitzt still auf dem Kahn.
    Sie spielt mit den Worten. Sont – thon – tong – long – goal …
    Sie geht von einem Wort zum nächsten, tauscht einen einzigen Buchstaben aus in einem Wort, das aus vier besteht.
    Das tut sie, um an nichts denken zu müssen. Mit den Fingernägeln kratzt sie ihre Handflächen.
    Gale – pale – lame – rame – aime – cime …
    Die Wipfel der Bäume.
    Sie blickt auf. Der Tag neigt sich, die Sonne geht unter.
    Miel – fiel – lien – lion.
    Foin – noix – lion – pion.
    Odon kommt nicht.
    Sie geht ans Ufer zurück.
    Sie sucht im Gras, unter den Bäumen, zwischen den Stämmen. Sie findet einen Dornenzweig, dessen Braun fast rot ist, und setzt sich auf den Boden. Sie rollt den Ärmel hoch.
    Sie lässt den Zweig über ihren nackten Arm gleiten. Zuerst streicheln die Dornen die Haut, dann kratzen sie, verfangen sich in den alten Rissen.
    Marie drückt mit der Hand.
    Sie ist schmerzunempfindlich, pflegte ihre Mutter zu sagen.
    Manchmal sind Schmerzen etwas Gutes, denkt Marie.
    Sie zieht.
    Die Dornen bleiben hängen und reißen neue Furchen in ihre Haut.

J ulie und die Jungs verteilen ihre Flyer auf der Place

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