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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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plötzlich ernst geworden. Ihre dunklen Augen im Halbdunkel des Theaters.
    »Wir sind beide einen weiten Weg gegangen.«
    »Du hast es weiter gebracht als ich. Du bist sehr schnell vorangekommen.«
    »Es waren die Fehler, die mich weitergebracht haben. Die Mängel … Du sagtest immer, die Kunst könne die Welt retten … Ich fand das naiv und rührend.«
    »Ich glaube noch immer daran.«
    »Du hast kluge Dinge gesagt, ich habe dich sehr bewundert.«
    Eine Notlampe brennt hinter ihnen, beleuchtet das Rot der Wand. Wirft warme Schatten auf ihre Gesichter.
    Mathilde deutet auf das Plakat.
    »Dieses Stück von Selliès, das du gerade spielst … Nuit rouge … Willst du damit meinen Fehler wiedergutmachen?«
    »Nenn es, wie du willst.«
    Sie sieht ihn an.
    »Wie hast du den Text bekommen?«
    »Er hat ihn mir geschickt, vor Anamorphose .«
    Sie nickt.
    »Und ist es besser als Anamorphose ?«
    »Nein.«
    Sie legt ihren Kopf an seine Schulter, findet seinen Geruch wieder. Ihre Lippen dicht an seiner Wange. Sie liebte es, seine Haut mit ihren Lippen zu berühren.
    Er legt seinen Arm um ihren Hals, drückt sie an sich, ohne zu sprechen. Eine Weile sitzen sie da, ohne sich zu rühren.
    Dann löst sie sich sanft von ihm. Sie öffnet ihre Tasche.
    »Ich habe heute das hier bekommen …«
    Sie holt einen Umschlag heraus, darin ein Stück Pappe, auf das die Reproduktion der Gesandten geklebt ist.
    Sie bedeutet ihm, die Karte umzudrehen. Er liest. Sein Gesichtsausdruck wird finster.
    »Hast du eine Idee, wer dir das geschickt haben könnte?«, fragt er.
    »Keine Ahnung … aber es gefällt mir ganz und gar nicht.«
    Ihm auch nicht.
    Sie nimmt ihren Platz wieder ein, lehnt sich in ihren Sitz. Sie hebt die Stirn.
    Er spürt, dass sie verwirrt, verunsichert ist, auch wenn sie sich nichts anmerken lässt.
    »Vielleicht ist es ja nur eine Aufmerksamkeit, die augenzwinkernde Geste eines anonymen Bewunderers?«
    Sie glaubt es nicht. Es handelt sich um eine direkte Anspielung auf Anamorphose . Der Umschlag war nicht mit der Post gekommen, sondern im Théâtre du Minotaure abgegeben worden.
    Odon denkt an Marie.
    Er dreht die Karte um und fährt mit dem Finger über den merkwürdigen Gegenstand im Vordergrund.
    Der Tod ist gegenwärtig, trotz der schönen Gewänder und des Reichtums, ein Schädel, der alles bedeutungslos macht, den Luxus, die Eitelkeit, den Ruhm. Memento mori : Sei eingedenk, dass du sterben musst. Das ist die Botschaft.
    Die Jogar holt einen Spiegel aus ihrer Tasche und nähert ihn der merkwürdigen Form.
    »Alles steckt im Detail«, murmelt sie.
    Die Verzerrung wird in der Wölbung des Spiegels korrigiert. Der Schädel wird sichtbar. Ein Kontrast, der alles Übrige, den Reichtum, den Prunk, lächerlich erscheinen lässt.
    Nur die Liebe entgeht vielleicht dieser Hoffnungslosigkeit.
    »Der Teufel liebt das Detail«, sagt die Jogar.
    Sie steckt ihren Spiegel wieder in die Tasche.
    Sie erhebt sich.
    Sie sagt, dass sie hinauswill, atmen, die Stadt von oben sehen, die Gärten, den Fluss.
    »Bring mich weg von hier!«
    Odon steckt die Karte in seine Tasche.
    Sie verlassen das Theater. Trotz der späten Stunde herrscht immer noch lebhaftes Treiben in den Gassen. Die Luft ist fast kühl. Sie hatten gehofft, der Platz vor dem Papstpalast sei leer, er ist es nicht. Paare umarmen sich.
    Die Jogar betrachtet sie.
    »Die Leute, die sich lieben, sind dermaßen schön, manchmal möchte man einer von ihnen sein.«
    Gruppen, ein Mann mit einem gelben Fahrrad und zwei schweren Satteltaschen.
    »Wir müssen in einer anderen Nacht wiederkommen, noch später«, sagt sie.
    Odon denkt, dass der Platz niemals leer sein wird, nicht einmal spätnachts.
    Die Gittertore der Gärten sind für die Nacht geschlossen. Sie machen kehrt und tauchen wieder in die menschenleeren Gassen der alten Viertel ein.
    Sie geht neben ihm. Folgt seinem ruhigen Schritt. Sie redet nicht mehr über die Karte, doch Odon spürt, dass sie unruhig ist. Er ist es auch.
    Sie kommen am Gefängnis vorbei, reden von Jeff, machen einen Umweg durch die Rue des Bains. Bei Odile ist alles dunkel.
    Ihr Weg führt sie zum Haus von Mathildes Vater. Kein Licht. Die weißen Vorhänge sind zugezogen. Die Jogar blickt nach oben. Die große Bibliothek im ersten Stock, die Schlafzimmer, das Büro, der Wachsgeruch der Möbel, die Keramik aus Longwy.
    Ihr Vater schläft vermutlich.
    Ein Salamanderpaar lebte im Hof, bei dem alten Brunnen. Im Stein waren glänzende Kristalle eingeschlossen, die

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