Die Liebe ist eine Insel
zur Mittagszeit auf den Platz. Er kauft ein halbes Baguette und etwas in einer Papiertüte, kommt wieder heraus, ohne irgendjemanden anzusehen, und verschwindet in der kleinen Straße.«
Damien sagt, er könne jeden Tag zur gleichen Zeit kommen und würde immer diesen jungen Mann sehen.
»Bis zu dem Tag, an dem er nicht kommt«, sagt Julie.
Damien nickt.
»Oder früher kommt, oder später …«
Der junge Mann kommt mit seinem Baguette und seiner Tüte heraus. Er verschwindet wie vorgesehen.
Zwei Minuten vergehen.
Eine junge Frau kommt aus der Passage Saint-Pierre und überquert den Platz, wobei sie zwischen den Tischen hindurchgeht, um abzukürzen. Sie trägt einen geblümten Rock aus dünnem zerknittertem Stoff. Sie betritt ebenfalls die Bäckerei.
Damien sagt, am Tag zuvor habe sie einen anderen Rock angehabt, sei aber zur gleichen Zeit durch dieselbe Passage gekommen.
Und am Tag davor auch, wiederum in einem anderen Rock.
»Käme sie nur zwei Minuten früher, würde sie dem jungen Mann begegnen.«
Sagt er.
Er wartet darauf, dass die junge Frau wieder herauskommt.
Julie wartet mit ihm.
Ein Mann, eine Frau mit Hund, ein kleines Mädchen mit einem großen Brot.
Dann kommt die junge Frau heraus.
Sie verschwindet durch dasselbe Gässchen.
»Seit drei Tagen beobachte ich, wie sie sich verpassen.«
Er sieht Julie an.
Julie blickt auf ihre Uhr.
Sie steht auf, streicht ihren Rock glatt.
»Ich bin mit meiner Mutter zum Mittagessen verabredet«, sagt sie.
E s ist ihr Montagsritual, sie verabreden sich in einem McDonald’s neben der Zeitung. Sie essen gemeinsam zu Mittag und sprechen über belanglose Dinge.
Als Julie kommt, ist Nathalie bereits da. Sie hat einen Tisch in einer dunklen Ecke gewählt.
Nathalie fährt Anfang August nach Roscoff. Wenn sie zurück ist, will sie umziehen, sie hat bereits eine größere Wohnung im Quartier de la Balance besichtigt.
»Ich möchte sie dir gern zeigen …«
Julie nickt.
Sie nennt eine Zeit, einen Tag.
Sie wird in den Süden Spaniens fahren. Mit Damien oder ohne ihn. Um ein Kind zu machen oder auch nicht.
Sie taucht eine Pomme frite in den Ketchup. Spricht über Damien, sagt, dass es im Augenblick nicht besonders gut läuft zwischen ihnen.
»Er sitzt stundenlang auf seiner Bank und lernt das Mahâbhârat auswendig. Er sagt, wenn er das Mahâbhârat kann, wird er es auf der Bühne spielen.«
Sie erzählt von den Fotos, die Marie im Eingangsbereich des Theaters ausstellt, und von der Gedankenurne auf dem Tisch daneben.
Nathalie fragt, wer Marie sei.
Julie erklärt, die Schwester von Selliès, dem Autor von Nuit rouge , per Anhalter gekommen und mit Ringen im Gesicht.
»Sie hat eine Fotografie von Isabelle gemacht, wunderschön und irritierend. Ich weiß nicht, ob ich sie mag … Ich habe ein komisches Gefühl.«
»Wovon sprichst du, von dem Foto oder von diesem Mädchen?«
»Von dem Foto … Und von Marie … Ihre Fotos und sie, das ist das Gleiche. Du solltest sie dir anschauen.«
»Und was sagt dein Vater?«
»Nichts, er lässt sie gewähren.«
Die Unterhaltung wendet sich anderen Dingen zu, den Streiks, die weitergehen, den Spannungen zwischen den Theatergruppen, die spielen, und den anderen.
Julie denkt an die Jogar, sie ist in der Stadt, hier, ganz in der Nähe, sie würde gern über sie sprechen.
Sie hat sich geschworen, es nicht zu tun.
Aber sie weiß, dass ihre Mutter auch daran denkt.
»Du solltest dir ihr Stück ansehen und einen Verriss schreiben …«, sagt sie schließlich.
Ohne explizit von der Jogar zu sprechen.
Ohne ihren Namen auszusprechen.
Sie hebt den Kopf.
»Oder du gehst nicht hin, schreibst aber doch einen Artikel.«
Nathalie antwortet nicht. Sie lächelt leise, den Kopf geneigt. Früher, ja, da hätte sie es vielleicht getan. Die Wut verfliegt, was unerträglich schien, wird plötzlich vertraut. Man gewöhnt sich, andere Gefühle treten an die Stelle, und wenn man sich umdreht, ist das, was so wehgetan hat, Vergangenheit geworden.
Das ist die Macht der Zeit.
»Ich habe deinen Vater sehr geliebt«, sagt sie.
Julie senkt den Kopf. Sie versucht zu lächeln. Ihre Lippen werden blass. Sie taucht den Löffel in ihr Dessert, eine Creme mit goldener Kruste, serviert in einem Aluminiumbehälter.
Nathalie schaut ihr zu.
Sie holt sich einen Kaffee.
Bevor sie geht, gibt sie ihr etwas Geld, damit sie sich Kleider kaufen kann.
O don lässt die Klinge durch den Schaum gleiten, der seine Wange bedeckt, sie hinterlässt eine
Weitere Kostenlose Bücher