Die Liebe ist eine Insel
Geschichte schreiben. Julie schlingt ihre Arme um seinen Hals.
Odon sagt nichts. Er sitzt am Ende des Tisches.
Er hört ihnen zu. Marie ist glücklich. Sie lächelt.
Er denkt an Mathilde. Am liebsten würde er sie anrufen.
Das Akkordeon liegt auf einem Stuhl. Marie steht auf und fährt mit den Fingern über die Tasten.
»Spielst du schon lange?«, fragt sie Julie.
»Schon immer! Mein Großvater war in Yvette Horner verliebt, er hat mir zur Taufe mein erstes Akkordeon geschenkt. Er wollte, dass ich Yvette heiße … Ich kann es dir beibringen, wenn du magst.«
Marie hebt das Akkordeon hoch. Es ist schwer. Sie zieht es auseinander, schließt es wieder, entlockt ihm ein paar Töne.
Julie zeigt es ihr. Wichtig beim Akkordeon ist die Luft, die hindurchgeht, man drückt auf eine Taste, und eine Klappe geht auf.
Sie hilft ihr, das Instrument zu tragen.
»Der Balg ist wie eine Lunge, wenn du drückst, atmet es, hörst du das? … Wenn du nicht auf die Tasten drückst, atmet es nicht mehr, es erstickt.«
Odon steht vom Tisch auf. Außer Jeff bemerkt niemand, dass er geht.
Er geht nicht am Hotel La Mirande vorbei. Er ruft nicht an.
Er macht einen Umweg über den Club in der Rue Rouge. Er hat seine Gewohnheiten, tritt ein, trinkt ein Glas. Er findet ein Mädchen, kommt spät nach Hause.
D as Klappern von Töpfen weckt Odon. Schimpfend kommt er aus dem Frachtraum nach oben. Jeff ist in der Küche. Mit einer Schere zerschneidet er eine Vanilleschote, kleine quadratische Stücke. In einem Topf wird Milch erwärmt.
»Was ist das für ein Krach?«, fragt er.
»Ich brauche nicht lange«, sagt Jeff.
»Das hab ich dich nicht gefragt!«
» Îles flottantes «, antwortet er.
»Um acht Uhr morgens!«
Die Milch zittert. Jeff verrührt das Eigelb mit Zucker und gießt die Milch darüber.
Odon tritt zurück. Der Geruch widerstrebt ihm.
»Hast du Kaffee gemacht?«
»Keine Zeit gehabt …«
Jeff schlägt das Eiweiß mit einem Schneebesen. Er lässt es in einem Topf mit Wasser garen und setzt es auf die Creme. Durch das Erkalten erstarrt das Eiweiß.
Es wird zu einer Gruppe schwimmender Eisberge.
Er lässt Karamell darüberlaufen. Darauf ein paar gehobelte Mandeln.
»Das ist für die Kleine«, sagt er schließlich.
Das Gericht hat die Schönheit einer Landschaft.
»Gestern beim Abendessen hat sie gesagt, dass sie es gern mag.«
Odon zuckt die Achseln.
Er macht sich Kaffee.
»Ich erinnere dich, dass du dich auch um den Kahn kümmern musst. Der Lack in den Töpfen wird fest, und wir müssen vor dem Herbst damit fertig sein.«
Jeff verspricht es.
Er deckt die Platte mit einer Plastikfolie ab.
»Ich bringe es ihr und komme zurück.«
Er überquert die Brücke, die Platte dicht am Bauch, fest zwischen seinen Armen. Die Creme darf weder von der Platte noch über das Eiweiß laufen.
Es ist früh, im Theater ist noch niemand.
Er schiebt die Platte in den Kühlschrank und wartet auf Marie, die Arme verchränkt, erst im Sitzen, dann im Stehen.
Er geht hinaus.
Wartet draußen.
Sie kommt um kurz vor zehn. Leert die Gedankenurne und hängt das Foto von Isabelle auf.
Er nimmt ihre Hand, sagt etwas von einer Überraschung.
Er verbindet ihr die Augen und führt sie durch den Flur. Er holt die Platte heraus und stellt sie vor sie hin.
Er entfernt die Plastikfolie.
Sie nähert sich. Ihre Nasenflügel beben. Sie braucht nur wenige Sekunden, dann hat sie es erraten und die Binde abgenommen.
Sie lacht. Der Geruch weckt ihren Appetit. Ihr Magen verwandelt sich in einen Schlund. Sie taucht den Löffel hinein, das Eiweiß ist fest, zu viel Zucker, sie blickt zu Jeff auf, verschlingt die Creme.
All die Süße bringt ihre Eingeweide zum Grummeln.
Während sie isst, bleibt Jeff neben dem Tisch stehen und schaut ihr zu. Zum ersten Mal seit langem scheint sie wieder Appetit zu haben.
J edes Jahr nimmt Isabelle in der ersten Augustwoche den Zug nach Ramatuelle. Sie steigt in Saint-Raphaël aus, sie wird am Bahnhof abgeholt, immer dasselbe Hotel, sie hat ihre Gewohnheiten.
Sie bleibt zwei Tage.
Ein Taxi bringt sie zum Grab von Gérard Philipe. Sie legt ein paar Blumen nieder, geht spazieren, betrachtet das Meer und setzt sich auf das Grab. Am nächsten Tag wiederholt sie das Ritual.
Danach fährt sie wieder zurück.
Der Doktor sagt, dieses Jahr sei die Reise nicht möglich. Ihr Herz sei erschöpft. Der Blutdruck niedrig. Er gibt ihr ein Rezept für stärkere Medikamente.
Isabelle setzt sich an den Tisch.
Ihre Jugend ist
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