Die Liebe ist eine Insel
Kurzschluss unvermeidlich.
Die Zuschauer kommen herein und setzen sich. Als der Saal voll ist, schlagen die Streikenden gegen die Türen. Niemand hat mehr Lust zu diskutieren. Julie will spielen. Die Jungs auch.
Es sind die letzten Zuckungen eines Streiks, dem die Luft ausgeht. Schließlich ziehen die Protestierenden ab.
Nach der Vorstellung gehen die Jungs unter die Dusche.
Julie möchte den Abend fortsetzen. Sie hat eine Pluderhose angezogen, eine karierte Schirmmütze aufgesetzt und geht mit einem Akkordeon auf die Bühne. Sie spielt Mon amant de Saint-Jean .
Sie kennt das ganze Repertoire, À Joinville-le-Pont , Étoiles des neiges , La Java bleue …
Das Publikum bleibt, begeistert. Diejenigen, die schon hinausgegangen sind, kommen zurück.
Greg, Chatt’, Yann, auch Jeff.
»Wo ist Joinville-le-Pont?«, fragt Marie.
Greg sagt, irgendwo bei Paris.
Damien ist gegangen.
Julie verlässt die Bühne mit dem Akkordeon und spielt draußen weiter. La Javanaise erklingt unter ihren Fingern, und alle folgen ihr.
Auf der Terrasse sitzen Leute beim Abendessen. Die Musik wirkt altmodisch, die Älteren fühlen sich an ihre Kindheit erinnert. Die Jungen erinnert sie an nichts, sie hören trotzdem zu. Ein Paar steht auf, beginnt einen Walzer. Andere folgen. Turnschuhe, Absätze, Ballerinas. Das Pflaster ist holprig. Ein Mädchen ruiniert sich ihre Pumps.
»Komm!«, sagt Odon und zieht Marie mit sich.
Die Schatten drehen sich. Marie ist zu leicht, es ist unmöglich, sie zu führen.
»Mein Kopf dreht sich«, sagt sie.
Odon pfeift darauf.
»Du trägst schon wieder dieses verdammte Polohemd …«
»Damien sagt, dass Grün kein Unglück bringt. Er sagt auch, Molières Kostüm sei gelb gewesen, das Kohlenmonoxid in der Farbe habe ihn vergiftet.«
Odon tanzt langsamer.
»Du unterhältst dich mit Damien?«
Er wird noch langsamer, schiebt einen Finger unter den Lederriemen.
Er hört auf, sich zu drehen.
»Weißt du, dass man aus dem Kohlenstoff der Asche blaue Diamanten macht?«
Sie verkrampft sich. Die Asche ihres Bruders trägt sie seit fünf Jahren mit sich herum.
»Du könntest auch welche tragen …«, sagt er.
Sie weicht bis zur Mauer zurück.
Die Tanzenden drehen sich im Walzertakt. Julies Finger auf den Tasten, sie scheinen zu fliegen, federleicht. Bei dieser Musik denkt Marie, dass sie ihre Ringe entfernen könnte, bis auf den in der Lippe, der als einziger von allen erzählen würde.
»Ist es teuer, die Asche in einen Diamanten zu verwandeln?«
»Sehr teuer … Aber wenn du erst einmal berühmt bist, wirst du viel Geld für deine Fotos bekommen.«
Sie zögert.
»Berühmt wie Willy Ronis?«
»Nein, berühmt wie Nan Goldin.«
Während sie tanzen, kocht Jeff Spaghetti, einen ganzen Topf mit echtem gehobeltem Parmesan und Basilikumblättern. Er erzählt, dass man die Blätter dieser Pflanze in Afrika benutze, um Flüche zu bannen, und die Hexen würden sie für ihre Zaubertränke verwenden.
Sie bringen einen Tisch nach draußen, holen Pappteller.
Alle nehmen Platz, Julie und die Jungs, Odon und Marie. Julie stellt das Akkordeon ab.
»Es ist eine Sonnenpflanze«, sagt Jeff, »angeblich wächst sie besser, wenn man sie beschimpft.«
Er serviert die Nudeln. Das Basilikum riecht nach Zitrone.
Greg streift Maries Arm.
»Es ist auch der Name einer kleinen Schlange, mit einem Drachenschwanz und zwei Flügeln, es heißt, sie sei aus einem Hühnerei geschlüpft. Wenn sie dich beißt, stirbst du, es gibt kein Gegengift.«
Marie erschauert.
Jeff fährt fort.
»Manche sagen, sie ähnele einer Otter mit einem Königskopf.«
»Hast du solche Schlangen schon gesehen?«
Alle drehen sich um, Damien kommt. Yann und Julie rücken zusammen, um ihm Platz zu machen.
Odon füllt einen Teller für ihn. Sie schauen ihm beim Essen zu, als käme er aus der Wüste zurück.
Jeff sagt, ja, einmal, aber es sei Nacht gewesen, er habe sie nicht wirklich gesehen, nur ihren stinkenden Atem gerochen.
»Hast du sie getötet?«
»Unmöglich! Der Kopf ist so schrecklich, sie krepiert, wenn sie nur ihr Bild im Spiegel sieht. Aber sie kann dich mit ihrem Blick töten.«
Marie hat ihre Nudeln nicht aufgegessen. Damien nimmt ihren Teller, sie sind fast kalt, ihm ist es egal, er hat Hunger.
Als er aufgegessen hat, erzählt er ihnen von der jungen Frau und dem jungen Mann, die fast gleichzeitig die Bäckerei betreten. Er insistiert auf dieser Differenz von fünf Minuten. Sie müssen sich unbedingt begegnen. Er will ihre
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