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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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rezitieren hören.«
    »Es ist nicht mehr Anamorphose «, sagt er.
    Sie stehen einen Augenblick nebeneinander und schauen auf den Fluss.
    Er geht hinein und kommt mit einer DVD heraus, in einer roten Hülle, eine Aufnahme von Ultimes déviances .
    Er reicht sie ihr.
    Marie nimmt sie nicht.
    »Ich will sie in echt hören, auf einer Bühne. Sie könnten ihr Ihr Theater zur Verfügung stellen …«
    Sie sagt es, ohne heftig zu werden.
    Odon wendet sich ab.
    »Das wird sie niemals tun.«
    »Können Sie sie fragen?«
    »Kann ich tun, aber sie wird nur lachen.«
    Schweigen.
    »Sie wird nicht lachen«, sagt Marie.

J eff wartet in seinem neuen Anzug auf den Zug, seinen Karton auf den Knien. Darin Calders Mobile.
    In seiner Tasche steckt eine Fahrkarte nach Nîmes, hin und zurück.
    Der Zug fährt ein.
    Reisende steigen aus. Jeff wählt einen Platz am Fenster. Er behält die Schachtel auf den Knien, beide Hände daraufgelegt. Die Landschaft zieht vorbei.
    Um elf Uhr hat er einen Termin bei einem Gutachter im Zentrum.
    Er wird sofort empfangen. Die Begutachtung des Vogels nimmt etwas Zeit in Anspruch.
    Dann geht er wieder. Der Gutachter hat ihm eine Adresse aufgeschrieben, wo er den Vogel verkaufen kann, und die Summe, mit der er zu rechnen hat.
    Marie hatte recht, er wird seine Schuld begleichen können.
    Und es bleibt ihm noch Geld für die Abschiedsfeier.
    Der Zug nach Hause geht erst in einer Stunde. Er trinkt ein Bier auf einer Terrasse. Am frühen Nachmittag ist er wieder in Avignon. In der brütenden Hitze geht er die Straße hinauf. Den Karton mit dem Vogel schiebt er wieder unter das Bett. Er zieht seinen Anzug aus und faltet ihn sorgfältig zusammen.
    Er geht zu Odile.
    Die Jungs sitzen auf dem Sofa. Ihre Mutter will nicht, dass sie bei dieser Hitze hinausgehen. Die drei Ältesten erzählen sich lachend im Flüsterton Geschichten darüber, was die Frauen mit den Männern machen, nachts, an der Stadtmauer.
    Esteban spielt abseits mit einem Plastikflugzeug. Er trägt ein blaues Polohemd und gestreifte Shorts, seine Füße in den Turnschuhen sind nackt.
    Jeff erwähnt seine Reise nach Nîmes mit keinem Wort. Den Vogel ebenfalls nicht.
    Er legt ein paar Münzen in die Schale auf dem Buffet.
    Er blickt sich in der Küche um, sieht die vertrauten Dinge, die gestapelten Teller im Wandschrank, die Waschschüsseln. Die nackten Beine der Jungs, ihre unbehaarten Oberkörper, die Schulzeichnungen an der Wand.
    Er wird ihnen Postkarten schicken. Geschenke für Odile.
    Er wird sie einladen.
    Esteban lässt sich vom Sofa gleiten. Er geht zu seiner Mutter, stellt sich vor ihre Beine und blickt zu ihr auf.
    »Ich bin ein Dichter …«
    Sagt er. Und tritt von einem Fuß auf den andern.
    Odile nimmt die Hände aus dem Wasser. Trocknet sie an ihrer Schürze.
    »Dichter … Dichter werden gebraucht …«
    Sie begegnet Jeffs Blick.
    Sie lächelt, was soll man dazu schon sagen?

I n der Nacht lädt ein Laster Tonnen von Obst auf der Place de l’Horloge ab. Am Morgen finden es die Leute und nehmen mit, so viel sie tragen können.
    Es ist eine Ernte vom Asphalt.
    Die freien Theaterleute, die den Streik fortsetzen, heben Pfirsiche auf und schleudern sie gegen die Mauern des Papstpalastes. Die Schalen und das Fruchtfleisch hinterlassen rote Streifen, die wie Blut aussehen.
    Zur Mittagszeit brennt die Sonne gnadenlos. Der Saft lockt die Insekten an, der Zucker macht sie betrunken. Fliegen, Mücken, sie schlürfen im Flug. Schmetterlinge liegen auf dem Rücken. Eine alte Frau geht über den Platz, in den geschlossenen Händen ein paar Mirabellen.
    Jeff öffnet das Gittertor.
    »Früchte vom Asphalt«, sagt er und legt das Obst vor Odile auf den Tisch.
    Sie breitet eine Zeitung aus und holt ein Messer heraus, setzt sich und entfernt die Schalen. Schneidet die Früchte in Stücke und legt sie in eine Salatschüssel.
    Er sagt nichts.
    Er nimmt ein Messer und hilft ihr beim Schälen.
    Sie stellt das Radio lauter.
    Auf dem Sofa essen die Jungs Carambar-Kaubonbons und lesen die Witze auf der Innenseite der Verpackung. Als sie die Früchte sehen, kommen sie mit leuchtenden Augen, nehmen sich Kirschen und spucken die Steine aus.

E s ist kurz nach neun, die Sonne brennt bereits auf die Türme des Papstpalastes. Die goldene Jungfrau scheint in Flammen zu stehen.
    Die Jogar frühstückt in den Gärten des La Mirande. Ein runder Tisch im Schatten, neben den Rosenstöcken. Croissants, Brot, Obst, Marmelade … Eine weiße Decke liegt auf einer anderen

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