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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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zwischen ihnen lädt sich elektrisch auf.
    Er stellt sein Glas ab.
    »Du steckst das weg und verschwindest …«
    Er hat Mühe zu sprechen.
    Marie rührt sich nicht. Seit sie den Revolver herausgeholt hat, ist sie sehr ruhig.
    »Damit hat er sich den Kopf weggeschossen«, sagt sie.
    Sie lächelt böse.
    »Die Chancen standen eins zu sechs, dass er die Kugel erwischt.«
    Der Griff glänzt, glatt und schwarz. Odon starrt ihn an, ohne den Kopf abwenden zu können. Trägt sie den schon von Anfang an mit sich herum? Wenn sie bei Isabelle ist …
    Sie fährt sich mit der Zunge über die Lippe. Ihr tut plötzlich alles weh, der Körper, die Stelle hinter den Augen.
    Endlich sieht er sie an.
    »Was ist heute passiert, Marie?«
    Sie zuckt die Achseln.
    Breitet die Hände aus, mit gestreckten Fingern. Öffnet leicht den Mund, doch kein Wort formt sich, sie artikuliert ins Leere.
    »Mein Bruder ist zu oft gestorben …«, bringt sie schließlich heraus.
    Die Waffe liegt noch immer auf dem Tisch.
    Er dreht sich um, öffnet eine Tür und nimmt eine Flasche Wodka aus dem Wandschrank.
    »Sprich weiter.«
    »Er ist gestorben, weil Sie ihn nicht sofort angerufen haben. Er ist ein zweites Mal gestorben, weil Sie seinen Text der Jogar gegeben haben. Und er ist noch einmal gestorben, als Sie Anamorphose unter dem Namen einer anderen gedruckt haben.«
    Ihre Augen öffnen sich weit, fatalistisch.
    »Dreimal, davon konnte er sich nicht erholen.«
    Auch sie hat ihn getötet, mit einem Kuss am Ufer des Flusses, doch das sagt sie nicht.
    Sie fährt sich rasch mit der Hand über das Gesicht. Sie muss weitersprechen. Die Kraft finden.
    »Haben Sie deswegen, weil Sie kein Gewissen haben, sein Buch weggegeben?«
    Er schenkt sich ein Glas ein. Leert es. Langsam gewöhnt er sich an die Waffe auf dem Tisch.
    »Du hast sie ja nicht alle, Marie …«
    Sie lacht höhnisch.
    Er stellt sein Glas ab, geht zum Tisch. Er nimmt die Bananenschale, die geschälte Frucht hat angefangen, dunkle Stellen zu bekommen. Er wirft sie in den Mülleimer und wischt sich die Hände am Geschirrtuch ab.
    Er kehrt zum Tisch zurück.
    Er nimmt den Revolver. Mit einer schnellen Bewegung.
    Das Metall ist eiskalt.
    Er öffnet die Trommel. Dreht sie.
    Alle Kammern sind leer.
    Er seufzt.
    Marie hört diesen Seufzer. Sie hat auf ihn gewartet. Nach einer Weile beugt sie sich vor und nimmt den Revolver an sich. Legt ihn auf ihre Schenkel.
    Es ist kein Geräusch zu hören, weder auf dem Kahn noch auf der Brücke. Nur ihr Atem.
    Sie schiebt die Hand in die Tasche ihrer Jeans und holt etwas heraus, das sie in der Faust behält.
    Langsam öffnet sie die Faust, die Finger. Die Kugel ist grau. Sie steckt sie in eine der Kammern. Es geht schnell. Ihre Hand mit den schmalen weißen Gelenken. Sie dreht, ein Wettrennen mit dem Zufall, rasselnder Leerlauf.
    Sie legt den Revolver auf den Tisch zurück.
    Sie blickt auf.
    Odon begreift nicht, also schiebt sie den Revolver noch ein paar Zentimeter in seine Richtung.
    »Du bist vollkommen übergeschnappt, Marie!«
    Die Beschimpfung mischt sich in ihr Lachen.
    Er blickt hinter sich, die Tür, der Steg. Marie bedroht ihn nicht. Sie nimmt wieder ihren Platz ein, die Beine untergeschlagen, ihr dünner Körper in dem großen Sessel.
    Ihre nackten Füße.
    Sie fordert ihn heraus.
    Eine Wette mit sechs Chancen, ein absurdes Spiel. Errät man, wo die Kugel ist, wenn man den Lauf gegen die Schläfe drückt? Welche Art von Angst? Von Schrecken?
    »Er hat es getan, Sie tun es, und danach sind wir quitt.«
    Ihre Stimme ist ruhig. Sie lässt ihm Zeit.
    Er betrachtet die Waffe und ihr Gesicht.
    »Du willst, dass ich spiele, wie er es getan hat. Das verlangst du von mir?«
    Er nähert die Hand, nimmt den Revolver. Im Innern die Kugel.
    Der kalte Griff.
    Hat Selliès sich wirklich mit dieser Waffe getötet? Marie sieht ihn unverwandt an, ohne zu blinzeln.
    Mit der geladenen Waffe könnte er sie zwingen aufzustehen und zu gehen.
    Er dreht den Kopf. Schwalben fliegen dicht über die Oberfläche des Flusses, auf der Suche nach Insekten. Er hört ihre gellenden Schreie durch das offene Bullauge.
    Er nimmt die starken Gerüche des Wassers wahr.
    Die Flüsse nehmen, behalten und tragen fort. Er macht zwei Schritte in Richtung Bullauge.
    Marie folgt ihm mit den Augen, sie weiß, was er tun wird. Hat es von der ersten Bewegung an begriffen.
    Er hebt den Arm und wirft den Revolver in den Fluss. Zu weit. Es gibt kein Geräusch.
    Er wendet sich wieder Marie zu.
    Sie empfindet

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