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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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Ausgangspunkt, mehr nicht.
    Marie hat Kopfschmerzen, ganz plötzlich, eine glühende Schiene, die sich in ihre Augen bohrt. Als die Kugel Pauls Schädel durchquert hat, hat sie auch ihren durchquert, und diese Spur ist geblieben.
    Die Jogar streckt die Hand aus, nimmt ein Hefeteilchen, behält es auf ihrer flachen Hand. Früher war sie wie Marie, die gleiche Heftigkeit, Gründe, die ebenso stark waren wie ihre.
    Sie halbiert die Brioche.
    »Odon hat mich angerufen und mir von dir erzählt.«
    Sie blickt auf.
    »Du hast Glück, er mag dich sehr.«
    Sie erinnert sich an die langen Wochen, in denen Anamorphose ihr Leben ausfüllte. Kaum erwacht, beugte sie sich schon über die Seiten. Um von der Außenwelt nicht verführt zu werden, schloss sie die Fensterläden. Das war ihr Leben gewesen, monatelang. Wenn sie nicht mehr konnte, besuchte sie Odon auf seinem Kahn.
    »Ich werde niemals für dich spielen …«
    Im Blick der Jogar liegt kein Zorn. Es folgt ein langes Schweigen, das Marie nutzen könnte, um zu gehen, denn der entscheidende Satz ist gesagt.
    Sie geht nicht.
    Die Jogar trinkt ihren Tee.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, was Odon für mich gewesen ist«, sagt sie schließlich. »Dieser Mann ist der schönste Teil von mir.«
    Marie hebt den Kopf.
    »Und trotzdem haben Sie ihn verlassen.«
    Die Jogar betrachtet die Tasse in ihren Händen, dicht an ihren Lippen.
    »Ja, ich habe ihn verlassen.«
    In seinen Armen fand sie Ruhe.
    Diese Ruhe hat sie verlassen.
    Sie hat sich losgerissen.
    Denn die Jogar werden und weiter lieben, das waren zwei Wege, die sich ausschlossen. Es verlangte zu viel Zeit, zu viel Kraft.
    Sie tupft sich die Lippen mit der Ecke der gefalteten Serviette ab.
    »Dieses tiefe Gefühl, lebendig zu sein, das hat er mir gegeben. Er hat mich die Leidenschaft gelehrt.«
    »Die Gottesanbeterinnen fressen ihre Männchen«, sagt Marie, »das ist auch Liebe. Sind wir also nicht stärker als die Insekten?«
    Die Jogar lächelt.
    »Nein, wir sind nicht stärker.«
    Sie legt die Serviette auf die Seite. Nimmt eine Puderdose aus ihrer Tasche. Einen Lippenstift, mit dem sie über ihren Mund fährt. Ihre Hände sind ungeschminkt, keine Ringe. Drei einfache Goldreifen am Handgelenk.
    Marie senkt den Blick.
    »Sie sind mir das schuldig …«
    Die Jogar schließt den Lippenstift und presst ihre Lippen aufeinander. Sie steckt ihn in die Tasche zurück.
    »Selliès vielleicht, aber dir schulde ich nichts.«
    Marie sinkt in sich zusammen.
    »Ohne ihn wären Sie nie berühmt geworden.«
    »Doch. Es hätte nur etwas länger gedauert, das ist alles.«
    Die Jogar deutet auf den Korb.
    »Du solltest besser etwas essen …«
    Marie verspannt sich. Sie mag dieses Lächeln nicht. Diese Arroganz. Sie hatte nicht gedacht, dass es so schwer sein würde.
    »Ich mag Sie nicht.«
    Die Jogar antwortet nicht.
    Hass ist ein totales Engagement, man braucht viel Kraft dafür, und die hat dieses Mädchen nicht. Sie hat auch nicht das Format eines Scharfrichters.
    Marie streckt die Hand aus, nimmt Brot aus dem Korb und steckt es in ihren Rucksack. Sie tut es, ohne den Blick zu senken. Sie möchte ebenfalls stolz sein, arrogant. Sie steckt noch zwei Brötchen ein. Sie nimmt von den Marmeladen und Croissants, wickelt sie in die Serviette. Wenn sie schon nicht stolz sein kann, dann will sie sich wenigstens danebenbenehmen.
    Die Jogar sagt kein Wort.
    Der Kellner beobachtet sie von der Tür aus.
    Marie schließt ihren Rucksack.
    »Wenn Sie Ihre Meinung hinsichtlich Anamorphose ändern …«
    »Ich ändere nie meine Meinung.«

D as Obst auf dem Platz ist verfault. Klebriger Staub hat sich auf die Pflastersteine gelegt. Ein granatfarbener Saft. Maries Sohlen kleben an dem goldenen Honig fest, der aus dem Haufen sickert.
    Unter dem Portalvorbau, im Schatten der Kirche, trällert ein Mädchen im T-Shirt auf der Querflöte. Leichte, gefällige Musik.
    Marie betritt das Chien-Fou.
    In der Gedankenurne liegen neue Botschaften. Es werden täglich mehr. Sie nimmt sie mit in ihr Zimmer und breitet sie auf der Matratze aus.
    Sie faltet einen ersten Zettel auseinander. »Träumen die Vögel, wenn sie schlafen, davon, dass sie fliegen?«
    Alle gelesenen Zettel werden in eine Ecke des Zimmers gelegt. Auf einen Haufen. In einer Tube ist noch Klebstoff. Sie klebt einen ersten Zettel auf die Fensterscheibe. Macht weiter. Als kein Platz mehr frei ist, befestigt sie sie an der Tapete. Am Ende sieht es wie ein Schmetterlingsschwarm aus.
    Manche sind

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