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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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hätte nicht zweimal die Kraft.«
    Er wendet den Blick ab.
    Murmelt ein klägliches Danke. Er fühlt sich erbärmlich, dass er sie da mit hineingezogen hat. Er möchte sie zurückhalten, ihr etwas anderes sagen als dieses unzureichende Danke.
    Sie betrachtet den Mann, der bei ihr war und jetzt in einem Sessel im Patio auf sie wartet. Ein breites rundes Glas in der Hand, Alkohol, den er mit seiner Handfläche wärmt.
    »Ich habe jemanden kennengelernt …«, sagt sie langsam.
    Odon erschauert.
    Der Mann sitzt ihnen halb zugewandt da, die Beine übereinandergeschlagen, ein attraktives Profil. Er zieht ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, steht auf und geht zum Rauchen auf den Bürgersteig hinaus.
    »Was findest du an ihm?«
    Nathalie lächelt.
    Sie legt die Hand auf seine Schulter, lässt sie ein paar Sekunden dort ruhen.
    »Es könnte sein, dass wir uns scheiden lassen müssen …«

D er Mistral hat einen Tag lang geblasen und sich dann gelegt. Wolken türmen sich über dem Mont Ventoux. Andere, dunklere, die von Norden gekommen sind, liegen über der Stadt.
    Der Regen kommt mit dem Abend. Die ersten Tropfen platzen auf dem hitzegesättigten Boden, verdampfen in der immer noch glühend heißen Luft. Ein Schauer, dem ein zweiter folgt. Man sucht Schutz unter den Portalvorbauten, den Vorderfronten der Geschäfte, in der Kirche. Man drückt sich an die Türen, in die Ecken der Fenster.
    Man schaut dem Regen zu.
    Regengerüche treten an die Stelle der Hitzegerüche. Überall werden Fenster geöffnet, Fensterläden, man lässt die Kühle herein.
    Endlich kann man wieder atmen.
    Die Baumstämme, die Dachziegel, die Balkons triefen. Von den Blättern der Platanen wird der Staub gewaschen.
    Marie geht durch den Regen.
    Sie läuft durch die Pfützen, patscht mit den Turnschuhen ins Wasser.
    Sie betritt das Chien-Fou. Es ist die letzte Vorstellung von Nuit rouge . Der Eingang ist voller Menschen. Man dreht sich nach ihr um. Mit dem Ärmel wischt sie den Regen von ihren Wangen.
    Ihre Hose tropft auf den Teppichboden.
    Julie und die Jungs sind im Flur, die Gesichter mit Ton beschmiert. Sie sehen sie kommen. Kein Wort für sie. Kein Lächeln.
    »Ich suche Odon«, sagt Marie.
    »Er sucht dich auch«, gibt Julie zurück, in eisigem Ton.
    Greg will auf sie zugehen, doch sie hält ihn fest.
    Er wehrt sich nicht.
    Marie sagt nichts.
    Jeff kommt aus dem Büro. Als er Marie sieht, deutet er ein Lächeln an, bleibt aber, wo er ist.
    Er trägt die Digitalis, in Papier gewickelt, einen ganzen Arm voll. Sein Lächeln zittert. Er wendet sich ab, entfernt sich, mit gebeugtem Rücken bringt er die Blumen auf die Bühne.
    Im Saal sitzen bereits Zuschauer. Andere kommen und nehmen ihre Plätze ein.
    Marie ist kalt.
    Feindseligkeit schlägt ihr entgegen.
    Trotzdem geht sie weiter.
    Odon steht mit einem Bühnenarbeiter in den Kulissen und überprüft das Bühnenbild, das beim Herunterlassen quietscht und stecken bleibt.
    In aller Frühe hat er die Jogar angerufen. Sie ist nicht drangegangen. Er hat eine Nachricht hinterlassen, damit sie ihn zurückruft. Er hat gesagt: »Es ist wichtig.«
    Als er Marie sieht, lässt er alles stehen und liegen.
    »Dass du dich noch hertraust!«
    Er nimmt sie am Arm und zieht sie beiseite. Sein Griff ist eisern.
    Er ist wütend.
    »Warum hast du das getan? Warum? Du wolltest, dass Mathilde spielt, und sie hat gespielt! Was willst du noch?«
    Julie und die Jungs versammeln sich im Flur. Auch Jeff ist da, ohne die Blumen.
    Der Bühnenarbeiter geht.
    Marie stöhnt.
    Sie hat die Telefonzelle neben der Bank benutzt. Auf ihrer Karte war noch ein wenig Guthaben. Die Telefonnummer stand in der Zeitung, Lokalredaktion. Das Mädchen am anderen Ende hat ihr zugehört, ohne ein Wort zu sagen. Es war ganz einfach, rasch erledigt.
    Das war, bevor sie die Jogar gesehen hatte. Nachdem sie sie auf der Bühne gesehen hatte, bereute sie ihren Anruf. Sie dachte, er habe keine Bedeutung mehr. Telefonanrufe reichen nicht als Beweise.
    »Das war vorher …«, ist alles, was sie murmelt.
    Vorher, nachher! Odon pfeift drauf.
    Er zwingt sie, die Stufen hinaufzugehen, zieht sie auf die Bühne. Ihr Knöchel stößt gegen die Kante einer Stufe. Sie findet sich auf den Knien wieder, das Gesicht am Boden, den Rucksack neben sich, den Fotoapparat an sich gedrückt.
    Odon beugt sich vor. Er brüllt nicht, aber seine Worte sind nicht weniger heftig.
    »Du wirst dich rächen können, da dir das ja so wichtig zu sein scheint.«
    Sie dreht den Kopf.

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