Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
Vom Netzwerk:
sie glücklich, dass Alexander unversehrt zurückgekommen war.
    Dimitri ging hinaus, um sich zu waschen, und Dascha beeilte sich, bei den Nachbarn ein wenig Tee aufzutreiben. Marina wandte sich an ihre Kusine: »Weißt du, Tania, du könntest ruhig ein bisschen freundlicher zu dem Mann sein, der für dich an der Front kämpft!«
    Tatiana ignorierte ihre Bemerkung, während ihr Blick auf Alexander ruhte.
    »Deine Kusine hat Recht, Tania«, sagte Alexander und grinste sie an. »Ich verhungere! Was gibt es denn zum Abendessen?«, fragte er lächelnd und legte ihr für einen kurzen Moment den Arm um die Schultern.
    Als Tatiana auf die Küche zusteuerte, begegnete sie Marinas forschendem Blick.
    Tatiana briet zwei Dosen Schinken und ein wenig Reis, den Alexander mitgebracht hatte. Als Alexander die Küche betrat, hielt Tatiana den Atem an. Er spähte in alle Töpfe. »Hmm, Schinken und Reis!«
    Sie hätte gern seinen gesenkten Kopf gestreichelt. »Du glaubst nicht, wie hungrig ich bin, Tania«, klagte Alexander und sah sie eindringlich an. In diesem Augenblick kam Marina in die Küche. »Alexander, Dascha hat mich gebeten, dir ein Handtuch zu bringen. Du hast es vergessen.« »Danke, Marina«, sagte Alexander, ergriff das Handtuch und verschwand. Tatiana starrte angestrengt in den Topf, während sie unermüdlich rührte.
    Marina trat neben sie und blickte ebenfalls in den Topf. »Gibt es da irgendetwas Interessantes zu sehen?«
    »Nein, überhaupt nicht.« Tatiana richtete sich auf. »Mmm ...« Marina schaute sie skeptisch an. Während des Essens fragte Dascha: »Wie ist es an der Front?« Alexander erwiderte kauend: »Das kann man nicht so einfach beschreiben. In den ersten zwei Tagen war es schlimm, nicht wahr, Dima? Dima hat zwei Tage lang im Schützengraben gelegen. Die Deutschen wollten offenbar sehen, wie lange wir durchhalten. Als wir uns nicht verzogen, unterbrachen sie die Angriffe. Unsere Kundschafter berichteten, es sähe so aus, als ob sie Gräben und Bunker aus Beton bauten.« »Wozu denn?«, wollte Dascha wissen.
    Langsam erwiderte Alexander: »Es bedeutet, dass sie wahrscheinlich nicht in Leningrad einmarschieren werden.« Alle freuten sich über diese Nachricht. Nur Tatiana bemerkte ein Zögern in Alexanders Stimme, als wolle er ihnen nicht die volle Wahrheit sagen. Sie biss sich auf die Lippe und fragte vorsichtig: »Bist du denn nicht froh darüber?« »Natürlich«, erwiderte Dimitri sofort.
    »Ich nicht«, antwortete Alexander. »Ich dachte, wir würden kämpfen ...«
    »Und sterben«, unterbrach ihn Dimitri und schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Ja, und sterben, wenn es sein muss!«
    »Na ja, du hast eben diese Meinung. Mir ist es lieber, wenn die Deutschen zwei Jahre lang in ihren Bunkern sitzen und versuchen, Leningrad auszuhungern, statt uns zu bombardieren.« Alexander legte sein Besteck beiseite. »Dieses untätige Herumliegen in den Schützengräben - ist das nicht entsetzlich zermürbend? Ich finde es feige!« Er warf Dimitri einen kühlen Blick zu, wischte sich den Mund ab und griff nach der Wodkaflasche.
    »Das ist überhaupt nicht feige«, erklärte Dimitri. »Im Gegenteil. Es ist klug. Du wartest so lange, bis der Feind geschwächt ist. Dann schlägst du zu. Das nennt man Strategie!« Mama stocherte nervös in ihrem Essen herum. »Dima, du hast das doch bestimmt nicht wörtlich gemeint, als du sagtest, dass die Deutschen Leningrad aushungern wollen, oder?« »Nein, nur im übertragenen Sinn«, erwiderte Dimitri.
    Tatiana musterte Alexander, der gar nichts mehr von sich gab. »Ist noch Wodka da?«, fragte Dimitri und hob die fast leere Flasche an. »Ich glaube, ich werde mich heute Abend betrinken. «
    Alle sahen zu Papa hinüber, der reglos auf dem Sofa lag, und wandten dann rasch den Blick wieder ab. »Alexander«, sagte Tatiana mit ihrer fröhlichsten Stimme. Sie genoss es, seinen Namen laut auszusprechen. »Nina Iglenko ist heute vorbeigekommen und hat uns um etwas Mehl und Schinken gebeten. Wir haben so viel, dass ich ihr etwas abgegeben habe. Sie bereut es schon jetzt, dass sie nicht auch so vorausschauend war wie wir ...«
    »Tania«, unterbrach Alexander sie und sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie hatte Recht gehabt: Er wusste mehr, als er sagte. »Gib kein einziges Gramm eurer Lebensmittel ab, hörst du? Egal, wer dich darum bittet!« »Wir haben schon einmal eine Lebensmittelrationierung erlebt, Alexander. Das war im letzten Jahr. Wo warst du während des finnischen

Weitere Kostenlose Bücher