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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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ab. Es war ihr jedoch gelungen, hundert Rubel zur Seite zu legen, und von diesem Geld kaufte sie nun einen Sack mit fünf Kilo Mehl, vier Pakete Hefe, einen Sack Zucker und eine große Dose Schinken. Drei Rubel blieben übrig und Tatiana fragte den Verkäufer, was sie dafür noch bekäme. Der Angestellte bot ihr eine Schachtel Streichhölzer, fünfhundert Gramm Tee oder altes Brot an. Tatiana überlegte sorgfältig und entschied sich dann für das Brot.
    Den Rest des Samstags verbrachte sie damit, das Brot in kleine Stücke zu schneiden und es im Backofen zu rösten, während Mama und Papa und sogar Dascha sie auslachten. »Wie kann man nur drei Rubel für trockenes Brot ausgeben? Du glaubst ja wohl nicht, wir würden das essen!« Tatiana ignorierte sie. Als Alexander an diesem Abend von der Geschichte erfuhr, sagte er: »Sie sollten besser jede Kopeke Ihrer neunhundert Rubel für trockenes Brot ausgeben!«
    Im Stillen dankte Tatiana ihm für seine Unterstützung. Gern hätte sie ihn berührt. Aber sie beherzigte ihre Absprache und blieb ihm fern.
    Mama machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich bin dazu erzogen worden, sparsam zu sein. Nicht wahr, Georgi?« Aber ihr Mann schlief bereits - wie jeden Abend um diese Zeit. »Habe ich Recht, Mama?«, wandte sie sich an Babuschka. »Ja, Irina, das stimmt«, erwiderte sie. »Aber vielleicht solltest du trotzdem auf Alexander hören.«

    Die Sirenen heulten jeden Abend um fünf Uhr. Die Bombenangriffe auf Leningrad waren entsetzlich. Für Tatiana aber war es beinahe noch schlimmer, mit der ständigen Angst um Alexander zu leben. Papa war jetzt schon am frühen Morgen betrunken. Das machte die Situation noch schwieriger.
    Mama hatte sich in ihre Arbeit vergraben und Babuschka malte unverdrossen. Marina war sehr still, denn sie machte sich große Sorgen um ihre Mutter. Dascha blieb von alldem unberührt: Sie schwärmte immerzu von Alexander. Deda und Babuschka waren in Molotow in Sicherheit. Tatiana hatte gerade einen Brief von ihnen bekommen. Dimitri kam nur noch selten vorbei. Wenn er da war, saß er oft nachdenklich am Tisch und es schien, als wolle er seine Sorgen mit Wodka hinunterspülen. Eines Abends folgte er Tatiana in die Küche. Er umarmte sie stürmisch und drückte sie gegen die Wand neben dem Fenster. Tatiana wusste nicht, wie sie sich wehren sollte.
    Glücklicherweise kam in diesem Moment Dascha herein und Dimitri ließ verlegen von ihr ab.
    Tatianas einzige Lichtblicke waren die Stunden mit Anton auf dem Dach und die Besuche von Alexander. Als sie einmal auf das Dach kam, hüpfte die kleine Mariska wie immer fröhlich umher, sie schien sich geradezu über die vielen Flugzeuge am Himmel zu freuen. Die Siebenjährige winkte und quietschte vor Entzücken.
    Auch Anton stand wieder bereit, um mit seiner eigenartigen Konstruktion Funken auszuschlagen. Tatiana ließ sich auf der Teerpappe nieder und zog ein Stück getrocknetes Brot hervor. »Was machst du denn, wenn dir eine Bombe auf den Kopf fällt? Da nützt dir der Stock gar nichts.« Aber Anton hatte keinen Sinn für die Gefahr. Für ihn war das alles ein großes Abenteuer.
    Mariska kam auf Tatiana zugelaufen und fragte: »Taneschka, was isst du da?«
    »Nur trockenes Brot«, erwiderte Tatiana. »Möchtest du auch etwas?«
    Mariska nickte heftig und riss Tatiana das Stück Brot aus der Hand. Rasch hatte das kleine Mädchen es hinuntergeschlungen. »Hast du noch mehr?«
    Tatiana bemerkte erst jetzt, wie mager Mariska geworden war. Sie stand auf und ergriff die Hand des Mädchens. Während sie mit Mariska auf die Treppe zusteuerte, fragte sie: »Wo sind dein Papa und deine Mama?«
    Achselzuckend erwiderte das Kind: »Ich glaube, sie schlafen.« Anton rief Tatiana nach: »Tania, lass sie!« Aber Tatiana ignorierte ihn und ging mit ihr hinunter in das Zimmer, wo Mariska wohnte. »Mama, Papuschka, seht mal, hier ist Besuch für euch!«, verkündete das Mädchen. Aber die Eltern rührten sich nicht. Sie lagen mit den Gesichtern nach unten in den schmutzigen Kopfkissen. Im Zimmer roch es unangenehm, Tatiana erinnerte es an den Gestank auf der Gemeinschaftstoilette. »Komm mit mir nach oben, Mariska!«, sagte sie rasch. »Ich gebe dir etwas zu essen.«
    Am nächsten Morgen stand Tatiana um halb sieben gewaschen und angezogen am Bett ihrer schlafenden Schwester. »Daschenka, bitte steh auf. Lass uns noch einmal in den Laden gehen!«
    Dascha bewegte sich kaum. »Tania, du kannst doch auch allein gehen.«
    »Kommt

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