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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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vier Tage lang im Zug!«
    Naira weinte immer noch und wischte sich übers Gesicht. »Und wofür? Oh, was für eine Tragödie doch dieser Krieg ist!« Alexander hörte, dass Tatiana leise aufstöhnte. Er wollte, dass sie ihn endlich einmal ansah. Er wollte, dass sie ihm sagte, was ihr auf dem Herzen lag. Er wollte ihre bloßen Arme berühren.
    Er sehnte sich so sehr danach, sie zu berühren ... »Tatia ...«, flüsterte er und rückte ganz nahe an sie heran. Einen Moment lang hielt sie den Atem an, aber dann ging sie eilig weiter. Entlang der Straße kamen alle Anwohner aus ihren Häusern, winkten ihm zu und grüßten ihn. Einige weinten. Eine Frau umarmte ihn mitleidig. Ein alter Mann sagte: »Wir sind sehr stolz auf Sie. Sie haben die lange Reise nur für Dascha auf sich genommen.« Der Mann schüttelte ihm nachdrücklich die Hand. »Wenn Sie irgendetwas benötigen sollten, kommen Sie nur zu mir. Ich bin Igor.«
    Alexander fragte leise: »Tania, warum tun sie alle so, als ob sie mich kennen würden?«
    »Oh, sie kennen dich eben«, erwiderte Tatiana gepresst. »Du bist der Hauptmann der Roten Armee, der hierher gekommen ist, um meine Schwester zu heiraten. Alle wissen das. Aber sie ist tot. Das wissen auch alle. Und jetzt tust du allen sehr Leid.« Ihre Stimme zitterte nicht einmal.
    Die anderen Frauen schluchzten. »Alexander«, sagte Naira, »zu Hause bekommst du Wodka, und dann erzählen wir dir alles.«
    »Wir?« Er warf Tatiana einen Blick zu. Er hatte gehofft, dass sie allein sein konnten.
    »Tania, wie ist es dir ergangen?«, fragte er. »Wie hast du ...« »Oh, es geht ihr großartig«, unterbrach Vova ihn und legte Tatiana den Arm um die Schultern. »Mittlerweile geht es ihr wirklich wieder gut.«
    Alexander blickte finster vor sich hin. In diesem Moment löste sich Tatiana von Vova und trat auf ihn zu. Sanft legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Du bist bestimmt ganz erschöpft, nicht wahr?«, fragte sie und blickte ihn liebevoll an. »Vier Tage im Zug ... Hast du heute schon etwas gegessen?« »Heute morgen«, entgegnete er, ohne ihren Blick zu erwidern. Tatiana nickte. »Wenn du dich erst einmal gewaschen und etwas gegessen hast, wirst du dich besser fühlen«, sagte sie lächelnd. »Und wenn du dich rasiert hast.« Sie drückte seinen Arm.
    Augenblicklich ging es ihm schon besser, und er erwiderte ihr Lächeln. Er würde mit ihr über Vova reden müssen. Er sah ihr an, dass sie ungelöste Probleme mit sich herumtrug. Das letzte Mal hatten sie in der Isaakskathedrale vertraulich miteinander gesprochen.
    »Alexander!«, rief Axinja. »Wir haben unsere Taneschka geradewegs den Klauen des Todes entrissen.« Wieder jammerten alle laut auf.
    Alexander warf Tatiana, die neben ihm herging, einen liebevollen Blick zu. »Lass mich die Tasche tragen, bitte«, sagte er. Sie wollte sie ihm gerade geben, als Vova die Tasche an sich riss. »Ich trage sie«, erklärte er.
    »Tania«, begann Alexander, »du bist in Kobona nicht zufällig Dimitri begegnet, oder?«
    Naira drehte sich sofort um und zischte ihm zu: »Schscht! Wir reden nicht über Dimitri.« »Dieser Bastard!«, rief Axinja aus.
    »Axinja, bitte«, sagte Naira, nickte aber gleichzeitig Alexander zu. »Sie hat natürlich Recht. Er ist wirklich ein Bastard.« Alexander starrte sie mit aufgerissenen Augen an. »Tania, kann ich daraus schließen, dass du Dimitri in Kobona begegnet bist?«
    »Hmm«, erwiderte sie.
    Alexander schüttelte den Kopf. Dimitri war tatsächlich ein Bastard.
    Zoe beugte sich zu ihm und flüsterte verschwörerisch: »Wir reden auch deshalb nicht über Dimitri, weil unser Vova sich in Tania verliebt hat.«
    Alexander rückte ein wenig von Zoe ab und murmelte: »Ach ja?«
    Nairas weiß gestrichenes Holzhaus lag am Ende des Dorfes in der Nähe des Flusses. Es war ziemlich klein. »Wohnt ihr alle hier?«, fragte Alexander.
    »Nein, nein«, erwiderte Naira, »nur wir und unsere Tania. Vova und Zoe wohnen mit ihrer Mutter auf der anderen Seite von Lazarewo. Ihr Vater ist letzten Sommer in der Ukraine gefallen.«
    »Babuschka«, sagte Zoe, »ich glaube nicht, dass du auch noch Platz für Alexander in deinem Haus hast.«
    Alexander betrachtete das Haus. Zoe hatte wahrscheinlich Recht. Im Vorgarten standen zwei Ziegen und ein Drahtverschlag für drei Hühner. Sie hatten offensichtlich genug Platz. Alexander folgte Tatiana über eine Holztreppe auf die verglaste Veranda, wo zwei kleine Sofas und ein langer, rechteckiger Holztisch standen. Von der

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