Die Liebenden von Leningrad
Veranda aus gelangte man in ein dunkles Wohnzimmer, das von einem großen Kachelofen beherrscht wurde.
Er nahm fast den ganzen hinteren Teil des Zimmers ein und war dreifach unterteilt - an den Seiten konnte man backen und in der Mitte heizen.
Oben auf dem Ofen lagen Decken und Kissen. In vielen dörflichen Gegenden in der Sowjetunion wurde ein Kachelofen zusätzlich als Bett genutzt. Selbst wenn das Feuer ausgegangen war, war es dort oben angenehm warm. Vor dem Kachelofen befand sich ein hoher Tisch, und dahinter standen noch ein kleineres Tischchen mit einer Nähmaschine und eine schwarze Truhe. Zwei Türen an der rechten Wand führten wahrscheinlich in die Schlafräume. »Lass mich raten«, sagte Alexander zu Tatiana, die neben ihm stand, »du schläfst dort oben?«
»Ja«, erwiderte sie. »Es ist sehr bequem.« Sie zog Alexander zu dem kleinen Tisch neben dem Ofen.
»Warte, warte«, sagte Naira. »Zoeschka hat Recht. Wir haben wirklich nicht viel Platz.«
»Das ist schon in Ordnung«, erwiderte Alexander. »Ich kann in meinem Zelt schlafen.«
»Nein, nicht im Zelt«, widersprach Naira. »Warum wohnst du nicht bei Vova und Zoe? Sie haben sogar ein hübsches Schlafzimmer für dich. Mit einem richtigen Bett und allem.« »Nein«, erwiderte Alexander. »Danke.« »Taneschka, meinst du nicht auch, es wäre bequemer für ihn? Er könnte ...«
»Naira Michailowna«, unterbrach Tatiana sie, »er hat nein gesagt. «
»Das wissen wir.« Axinja kam von der Veranda herein. »Aber es würde wirklich ...«
»Nein«, wiederholte Alexander. »Ich schlafe draußen in meinem Zelt. Das ist schon in Ordnung.«
Tatiana zögerte. »Du kannst auch oben auf dem Ofen schlafen«, sagte sie. »Es ist sehr warm dort.« Mit betont gleichmütiger Stimme fragte er: »Und wo schläfst du dann?«
Sie wurde rot, und er musste unwillkürlich lachen. Er küsste sie auf die Wange, was sie noch mehr erröten ließ. »Tania«, sagte er, »du bist ein komisches Mädchen.« Sie wich vor ihm zurück, aber er fuhr lächelnd fort: »Hör mal, ich werde ...«
»Zu Zoe und Vova gehen?«, fragte Naira, die gerade ins Zimmer kam. »Das ist eine großartige Idee! Ich wusste, dass unsere Taneschka dich überreden kann. Sie kann sogar dem Teufel ein neues Kleid andrehen. Zoe!« »Nein!«, rief Tatiana aus. Alexander hätte sie am liebsten geküsst. »Naira Michailowna, er geht nicht zu Zoe«, sagte Tatiana bestimmt. »Er bleibt hier. Er schläft hier oben.« »Oh«, sagte Naira und war einen Moment lang sprachlos. »Und du?«
»Ich schlafe auf der Veranda.«
»Tania, dann solltest du aber die Bettwäsche wechseln, damit er frische Laken hat.« »Gut«, stimmte Tatiana zu.
»Wag es bloß nicht, sie zu wechseln«, flüsterte Alexander. Naira erklärte, sie wolle Alexander frische Handtücher holen, und zog Axinja mit ins Nebenzimmer.
Alexander und Tatiana wandten sich einander zu. Tatiana vermied es noch immer, ihn anzusehen, aber sie war ihm zumindest nahe.
»Ich gehe mich jetzt waschen«, sagte Alexander lächelnd. Er wusste nicht, wo er seine Hände lassen sollte. Am liebsten hätte er Tatiana berührt. »Warte hier auf mich.« »Natürlich. Brauchst du Seife?« Er schüttelte den Kopf.
»Ja, das glaube ich. Aber sieh mal, was ich hier habe.« Sie holte eine kleine Flasche Haarwaschmittel aus der Schublade der Kommode. »Ich habe sie in Molotow gekauft. Sie hat zwanzig Rubel gekostet.« Sie reichte ihm die Flasche. »Echtes Haarwaschmittel für deine Haare.«
»Du hast zwanzig Rubel für eine Flasche Haarwaschmittel ausgegeben?«, fragte er entsetzt. Als er sie entgegennahm, berührten sich ihre Finger.
Sie zog ihre Finger rasch weg und entgegnete: »Besser als zweihundertfünfzig Rubel für eine Tasse Mehl.« »Hast du es mit dem Geld bezahlt, das ich für dich in der Puschkin-Ausgabe versteckt hatte?«
»Ja«, erwiderte sie leise. »Die Rubel in dem Buch kamen mir wirklich gelegen. Danke.« Sie blickte ihn nicht an. »Danke für alles.«
»Das freut mich. Gern geschehen.«
Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. »Tatiascha, du bist so blond geworden.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das liegt an der Sonne.« »Und du hast so viele Sommersprossen ...« »Auch von der Sonne.« »Und so ...«
»Ich zeige dir den Weg zum Fluss.«
»Warte. Sieh mal, was ich dir mitgebracht habe.« Er hockte sich neben seine Tasche und zeigte ihr die Dosen mit tuschonka, Kaffee, einen großen Beutel Zucker, Salz, Zigaretten und Wodkaflaschen. »Und
Weitere Kostenlose Bücher