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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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unser früherer Zarewitsch Alexander. Genau so. Sie hat geblutet und geblutet...«
    »Der Zarewitsch hatte keinen Skorbut«, warf Tatiana ein. »Er war Bluter.«
    »Und dann die doppelseitige Lungenentzündung!«, rief Axinja. »Beide Lungenflügel waren befallen!«
    »Axinja, bitte«, sagte Tatiana. »Es war nur ein Lungenflügel.« »Die Lungenentzündung hat sie beinahe umgebracht. Sie konnte nicht mehr atmen«, erklärte Naira und tätschelte Tatianas Hand.
    »Eigentlich war es keine Lungenentzündung«, fügte Axinja hinzu, »es war Tuberkulose! Naira, du wirst so vergesslich. Weißt du nicht mehr, wie sie wochenlang Blut gehustet hat?« »Oh, Tania«, flüsterte Alexander.
    »Alexander, ich bin wieder gesund. Wirklich«, sagte Tatiana. »Ich hatte eine milde Form von Tuberkulose. Die Ärzte haben sie schon im Krankenhaus geheilt. Spätestens im nächsten Jahr ist alles wieder völlig in Ordnung.« »Und du wolltest mich drinnen rauchen lassen!« »Warum denn nicht?«, fragte sie. »Du hast doch immer drinnen geraucht. Ich bin daran gewöhnt.«
    »Was heißt hier, warum denn nicht?«, empörte sich Axinja. »Tania, du warst einen Monat lang im Quarantänezelt!« »Erzähl Alexander doch mal, wie du Tuberkulose bekommen hast«, warf Naira ein.
    Alexander spürte, dass Tatiana erschauerte. »Das erzähle ich ihm später.«
    »Wann später?«, flüsterte Alexander. Sie antwortete nicht.
    »Tania!«, rief Axinja. »Erzähl Alexander, was du durchgemacht hast, bevor du hierher kamst. Na los!« Darüber zu sprechen schien Tatiana große Mühe zu kosten. »Ich und Hunderte anderer Leute wurden auf Lastwagen verladen und zum Bahnhof in der Nähe von Wolkow gefahren ...« »Erzähl ihm, in was für einem Zug ihr gefahren seid!« »Es war nicht gerade der bequemste Zug. Wir waren so viele ...«
    »Was passierte mit den Leuten, die im Zug gestorben sind?«, sagte Dusia.
    »Oh, die anderen haben sie einfach hinausgeworfen, um Platz zu schaffen,«
    Naira warf schniefend ein: »Als sie an die Wolga kamen, war schon viel mehr Platz ...«
    Axinja rief dazwischen: »Alexander, sie hatten die Brücke über die Wolga gesprengt, und der Zug konnte nicht hinüberfahren! Alle Evakuierten, einschließlich unserer Taneschka, mussten in ihrer erbärmlichen Verfassung zu Fuß über das Eis. Wie findest du das?«
    Alexander konnte seinen Blick nicht von Tatianas nachdenklichem Gesicht wenden.
    »Wie viele Menschen sind auf dem Eis gestorben? Sag es ihm.« »Ich weiß es nicht, Axinja. Ich habe sie nicht gezählt.« »Fast alle«, sagte Dusia. »Ich bin sicher, kaum jemand hat es überlebt.«
    »Nun, Tania hat es überlebt«, stellte Alexander fest und drückte sein Bein gegen ihres.
    »Andere auch«, sagte Tatiana. Leise fügte sie hinzu: »Allerdings nicht viele.«
    »Tania, erzähl ihm, wie viele Kilometer du laufen musstest, mit Tuberkulose und Lungenentzündung und im Schneesturm, weil es nicht genug Lastwagen gab, um all die Kranken und Verhungernden zum Zug zu fahren.«
    Axinja riss die Augen auf. »Waren es nicht fünfzehn Kilometer?«
    »Nein, vielleicht drei«, berichtigte Tatiana sie. »Und es gab auch keinen Schneesturm. Es war nur kalt.« »Hattest du denn etwas zu essen? Nein!« »Doch«, erwiderte Tatiana, »ich hatte ein bisschen zu essen dabei.«
    »Und erzähl ihm von der Zugreise, erzähl ihm, dass du dich noch nicht einmal hinlegen konntest, dass du drei Tage lang stehen musstest, von Wolkow bis an die Wolga.« »Ja, ich habe drei Tage lang gestanden«, gab Tatiana zu, Dusia wischte sich über die Augen und sagte: »Nachdem sie die Wolga überquert hatten, waren schon so viele Leute gestorben, dass Tatiana sich im Zug wenigstens hinlegen konnte, nicht wahr, Tania? Sie legte sich hin ...« »Und stand nicht wieder auf!«, bemerkte Axinja. »Meine Liebe«, entgegnete Tatiana, »irgendwann bin ich wieder aufgestanden.« Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte Axinja, »jetzt übertreibe ich wirklich nicht. Du bist nicht aufgestanden. Die anderen wollten dich fragen, wo du hinfährst, aber sie schafften es nicht, dich zu wecken ...« »Am Ende haben sie mich doch wach bekommen.« »Am Ende, ja!«, rief Axinja. »Aber erst haben sie gedacht, du wärst tot!«
    Raisa erzählte weiter: »Sie ist in Molotow aus dem Zug gestiegen und hat gefragt, wie weit es noch bis nach Lazarewo ist. Als sie gehört hat, dass es zehn Kilometer sind, hat sie ...« Alle vier Frauen brachen in lautes Weinen aus. Tatiana sagte zu Alexander: »Es

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