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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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Er drehte ihren Rucksack um und kippte den Inhalt aus. Tatiana sah ihm ruhig zu und sagte: »Und wer hebt das jetzt alles wieder auf?«
    Wortlos nahm Alexander die Kleidungsstücke und zerschnitt sie mit seinem Armeemesser in winzige Fetzen. »Na, du hast dich ja wirklich beruhigt«, sagte Tatiana, die ihm fassungslos zusah. »Aber keine Sorge, ich kann mir neue Sachen nähen, Alexander.«
    Fluchend ballte Alexander die Faust. »Du versuchst mich zu provozieren.« Sie zuckte nicht mit der Wimper. Als er sich daranmachte, auch den Rucksack zu zerreißen, fiel Tatiana ihm in den Arm und flehte ihn an, aufzuhören. Er hätte sie weggeschoben, aber er wollte ihr nicht wehtun, und so ließ er den Rucksack los.
    Während des Abendessens bei Naira sagte Alexander nicht viel, er war immer noch zu wütend. Als Tatiana ihn fragte, ob er noch etwas Blaubeerkuchen haben wolle, schnappte er: »Ich habe doch bereits nein gesagt!« Sie blickte ihn vorwurfsvoll an, und er hätte sich am liebsten entschuldigt, brachte es jedoch nicht fertig.
    Schweigend liefen sie durch den Wald nach Hause, und als sie in der Hütte angekommen waren, zogen sie sich aus und gingen zu Bett. »Du bist doch nicht immer noch böse auf mich, oder?«, fragte Tatiana.
    »Nein«, erwiderte Alexander. Er ließ jedoch seine Shorts an und drehte sich sofort von ihr weg.
    »Shura?« Sie streichelte ihm über den Rücken und küsste ihn. »Shura!«
    »Ich bin müde. Ich möchte schlafen.«
    Allerdings wollte er auch nicht, dass sie aufhörte, ihn zu streicheln.
    »Ach, komm«, flüsterte Tatiana. »Komm, großer Mann. Fühl mal, ich bin nackt. Fühlst du es?«
    »Hmm.« Alexander drehte sich auf den Rücken und sagte, ohne sie anzublicken: »Tatiana, ich will, dass du hier bleibst, wo du in Sicherheit bist.«
    »Du weißt, dass ich nicht hier bleiben kann«, erwiderte sie leise. »Ich kann nicht ohne dich sein.« »Natürlich kannst du das! Genau wie früher auch.« »Es gibt kein Früher.« »Hör auf. Du verstehst es nicht.«
    »Dann erklär es mir«, bat sie ihn und legte ihm ihre kleine, warme Hand auf die Brust.
    Er schob sie weg und sagte: »Wir haben nur noch drei Tage. Ich möchte sie nicht mit dieser Diskussion verbringen.« »Nein, aber es macht dir offenbar gar nichts aus, sie mit deinen Launen und deinem schlechten Benehmen zu verderben.« Zärtlich streichelte sie ihn.
    Wieder schob Alexander ihre Hand weg. Eine Erkenntnis durchzuckte ihn plötzlich. »Ach, deshalb warst du also so fröhlich, als ob es dir ganz egal wäre, dass ich abreisen muss? Du hast gedacht, du kämst mit?«
    Sie schmiegte sich an ihn und küsste ihn auf den Arm. »Shura«, flüsterte sie, »was hast du denn gedacht, wie ich die Zeit mit dir sonst überstanden hätte? Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du mich verlässt. Alles, was ich habe, habe ich dir gegeben, und wenn du gehst, bleibt mir nichts mehr.« Alexander stand auf. Er war am Rande der Verzweiflung. »Aber ich gehe«, sagte er laut, »und zwar ohne dich.« Stumm schüttelte sie den Kopf.
    »Widersprich mir nicht!«, schrie Alexander. »Wir leben im Krieg, verdammt noch mal! Krieg! Millionen von Menschen sind schon gestorben. Willst du eine weitere namenlose Leiche in einem Massengrab sein?«
    Tatiana begann zu schluchzen. »Ich will bei dir bleiben«, flüsterte sie. »Bitte.«
    »Sieh mal«, versuchte Alexander es erneut, »ich bin Soldat. Dieses Land befindet sich im Krieg. Aber hier bist du in Sicherheit. Wir hatten eine schöne Zeit, aber jetzt ist sie vorüber, verstehst du? Vorüber«, wiederholte er mit Nachdruck. »Ich muss zurück, und du kannst nicht mitkommen. Ich werde gar nicht in die Garnison zurückkehren, man hat mich versetzt.« »Wohin versetzt?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Aber Leningrad soll nicht noch solch einen Winter durchmachen wie den letzten.« »Man will die Blockade brechen? Wo?« »Ich kann es dir nicht sagen.«
    »Du bist doch ehrlich zu mir, oder, Alexander? Du würdest mir doch alles sagen?« »Das nicht.«
    »Oh«, sagte Tatiana und setzte sich auf. »Schon am dritten Tag, nachdem wir uns kennen gelernt hatten, hast du mir erzählt, dass du aus Amerika kommst. Du hast an unserem dritten Tag dein ganzes Leben vor mir ausgebreitet. Und jetzt kannst du mir nicht einmal sagen, wo du eingesetzt wirst?« Tatiana sprang vom Ofen.
    »Shura«, flehte sie, »du hast mich doch nicht geheiratet, um Geheimnisse vor mir zu haben!« »Ich werde dir nicht sagen, wo ich hingehen muss!

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