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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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knöpfte seine Hose auf. »Du hast die Szene in der Geschichte vergessen, wo der Ritter das zarte Mädchen rettet.« Er streichelte sie. »Zart? Du musst jemand anderen meinen.
    Und du vergisst, dass es als zartes Mädchen deine Aufgabe ist, den Ritter zu lieben, nicht ihn zu Tode zu erschrecken.« »Ich wollte den Ritter nicht erschrecken«, murmelte sie. Alexander hob sie hoch und trug sie zum Bett. Einladend streckte sie ihm die Arme entgegen. »Ich bin hier, Soldat«, sagte sie. »Fühl mich.«
    »Ich fühle dich, Tania«, flüsterte Alexander. »Bitte, komm zu mir«, stöhnte sie. »Bitte ... komm und nimm mich, wie du willst ... nein, nimm mich, wie ich es liebe ... komm ...«
    Er nahm sie so, wie sie es liebte. Als sie später warm und befriedigt unter der Decke lagen, öffnete Alexander den Mund, um etwas zu sagen, doch Tatiana sagte: »Schscht, Shura, ich weiß es. Ich verstehe alles. Ich fühle alles. Sag nichts.« Sie umarmten sich, als wollten sie ineinander verschmelzen.

    So vergingen ihre Fliedertage, vom Morgen bis in die Nacht. Vom ersten Rauschen des Flusses bis zum letzten Lied der Lerche, vom Duft der Nesseln zum Duft der Tannenzapfen, von der friedlichen Morgensonne bis zum blassen blauen Mond über der Lichtung.
    Alexander zersägte Holz für Tatiana und stapelte es. Sie backte ihm Blaubeerkuchen und kochte Kompott. Es gab viele Blaubeeren in diesem Sommer. Er baute ihr Möbel, und sie backte ihm Brot. Tatiana nähte für Alexander, und sie gingen zusammen Pilze sammeln.
    Er brachte ihr Englisch bei und las ihr aus Puschkin vor, während sie kochte.
    Er hatte in dem Buch ein Bild von sich gefunden, dass er vor einem Jahr Dascha geschenkt hatte. Es war ein Foto von ihm, wie er die Auszeichnung für Jurij Stepanow entgegennahm. »Ist meine Frau stolz auf ihren Mann?«, fragte er und zeigte Tatiana das Bild.
    »Und wie«, antwortete sie lächelnd. »Stell dir vor, Shura«, fügte sie hinzu, »als ich noch ein Kind war und auf dem Ilmensee gerudert bin, hattest du schon deine Eltern verloren, warst in die Armee eingetreten und bereits ein Held!« »Du warst kein Kind, das auf dem Ilmensee rudert«, widersprach er, »sondern eine Königin. Und hast auf mich gewartet.«
    »Wir haben übrigens immer noch nicht die Hochzeitsfotos abgeholt«, bemerkte Tatiana.
    »Wann hätten wir schon Zeit, nach Molotow zu gehen?« Sie sprachen nicht über seine bevorstehende Abreise, aber die Tage vergingen. Sie schienen ihnen förmlich davonzurasen. Während sie sich unterhielten und sich Witze erzählten, während sie aßen und spielten, fischten und miteinander rangelten, während sie im Wald spazieren gingen und Tatiana Englisch übte, während Alexander ihr bei ihrer Wäsche und der der vier alten Frauen half, während er Wasser vom Brunnen und ihre Milchkannen holte, während er ihr die Haare bürstete und während er sie liebte, wusste Alexander, dass dies die glücklichsten Tage seines Lebens waren.
    Er machte sich keine Illusionen. Diese Zeit in Lazarewo würde nicht wiederkehren, weder für ihn noch für sie. Tatiana aber hegte diese Illusionen.
    Sie war so unermüdlich fröhlich und glücklich, dass er sich, als sich sein Urlaub dem Ende zuneigte, manchmal fragte, ob sie überhaupt jemals einen Gedanken an die Zukunft verschwendete. Er wusste, dass sie manchmal an früher dachte, dass sie an Leningrad dachte, und dann spürte er, dass sie traurig war. Aber für die Zukunft schien sie nur rosige Zeiten zu erhoffen. »Was hast du denn?«, fragte sie ihn, wenn er stumm auf der Bank saß und rauchte. Nichts, erwiderte Alexander dann immer. Ich lasse nur meinen Schmerz wachsen. Wie sehr wünschte er für sich und Tatiana eine bessere Zukunft!
    In seiner Ohnmacht war er oft auch wütend auf sie. Wütend, weil sie sich ständig um andere Leute kümmerte, wütend, weil sie ihre eigenen Bedürfnisse wieder völlig hintanstellen würde, wenn er nicht mehr da war, um auf sie aufzupassen.
    Schließlich entzündete sich sein Zorn sogar an Kleinigkeiten. Ihre ständige Fröhlichkeit regte ihn auf. Immer sang sie und hüpfte ausgelassen um ihn herum. Wie konnte sie nur so sorglos sein, wo sie doch wusste, dass er sie in zwei Wochen schon verlassen musste?
    Außerdem wurde er so eifersüchtig, dass es sogar ihn selbst überraschte. Er konnte es nicht mehr ertragen, irgendjemanden in ihrer Nähe zu sehen. Er konnte es nicht ertragen, wenn sie mit Vova redete, und noch viel weniger, wenn sie ihm sein Essen auftat. Und doch

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